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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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weh. Er hat einen guten Physiotherapeuten in Frankfurt/Main, aber allzu oft schafft er’s nicht zu ihm, obwohl er fast jede Woche nach Frankfurt fährt. Mit dem Audi ist er in vier Stunden dort. Auch wenn die Autobahnen im Osten beschissen sind. Der renkt ihn auch schön wieder ein. Er staunt jedes Mal über dieses Krachen und Knacken seiner Knochen und Gelenke. Wenn er vorher mit dem Bauch auf dem Ball liegt und all diese Übungen macht, kommt er sich richtig bescheuert vor.
    Er geht zu seinem Koffer, der noch neben der Tür steht. Zieht seinen Mantel aus und hängt ihn in den Schrank. Sein Schal ist feucht, und er schüttelt ihn, streicht ihn glatt und legt ihn über einen Bügel. Das Hotel ist ganz gut, gleich neben dem Rathaus. Die Stadt kam ihm sehr klein vor, als sie mit dem Wolga erst in ein Restaurant und dann zum Hotel fuhren. Die Sache mit den Fledermäusen geht ihm nicht aus dem Kopf. Was sollte das?
    »Und weißt du, was ich vorhin meinte, die Stadt der Humanisten?«
    »Henry Maske?«
    »Ein Boxfan! Natürlich. Und eigentlich gehört unser guter Henry da mit rein. Im großen Zusammenhang. Aber …«
    »Aber?«
    »Wie gefällt dir eigentlich mein Wolga?«
    »Schönes Auto. Sieht man selten. Gut gepflegt.«
    »Nicht wahr? Im Osten habe ich immer von einem Chevrolet geträumt. Keine Chance.«
    »Und ich dachte immer, die Stasi wäre die Nummer drei. Nach CIA und KGB.«
    »Waren wir, waren wir. Aber ein Chevy im Osten? Selbst Honecker fuhr einen Volvo. Und ich bin nicht Mielke. Aber dieser Wolga … Habe ihn fünfundachtzig direkt aus Moskau geholt. KGB-Ware. Kein Kratzer dran. Sieht einem Chevy durchaus ähnlich. Für mich, und das sage ich dir nicht, weil mir der Kommunismus fehlt, ist der Wolga eins der besten Autos des zwanzigsten Jahrhunderts.«
    »Die Zeit der Humanisten.«
    Er wühlt in seinem Koffer. Legt die frisch gebügelten und gut gefalteten Hemden aus der Wäscherei auf den Tisch. Er hat eine Röver-Filiale in der Stadt seiner Dependance, mit der ist er mehr als zufrieden. Die alten ostdeutschen Weiber, die dort arbeiten, wissen, wie man Hemden wäscht, bügelt und legt. Und dass sie gut riechen müssen. Nicht zu aufdringlich, nicht nach irgendeinem scheiß Weichspüler oder parfümiert. Einfach frisch. Das ist eine eigene Wissenschaft, man muss sich wohlfühlen in einem glatten, frischen, weichen Hemd. Er hat eine Hemdenkarte für fünfzig Mark. Die haben drei Filialen in der Stadt und weitere Geschäfte in den kleineren Nachbarstädten und in Dresden an der Elbe. Waschen, Bügeln, Nähen, Schlüsseldienst. Machen gutes Geld. Er mag diese Firma. Er kannte einen Mann in Neuss, der hat sein ganzes Geld in einen Wäscheservice gesteckt, als es mit den Weibern nicht mehr so lief und die Konkurrenz in den Schleudergang schaltete. In Düsseldorf. Keine schlechte Idee. Einer der Marktführer mittlerweile.
    Er nimmt die zwei Schachteln Davidoff Filter, legt eine wieder in den Koffer zurück, reißt die andere auf. Zieht zwölf Zigaretten aus der Packung, Zigarette für Zigarette, seine Hand ist ruhig, das ist gut, das sieht er gern, und schiebt sie hinter das Gummiband seines Lederetuis. Zigarette für Zigarette. Als er wieder zum Bett gehen will, er braucht Ruhe und Zeit zum Nachdenken, sieht er seinen kleinen Weltempfänger zwischen seiner Waschtasche und dem Stapel mit Unterhosen und Unterhemden. Er beugt sich wieder über den Koffer, und dann liegt er auf dem Bett, das Etui neben dem Kissen, der Weltempfänger auf dem Nachttisch, und dann muss er nochmal aufstehen, weil sein Feuerzeug noch in der Manteltasche steckt. Schaut er auch gleich in die Minibar. Der Whisky bei Mondauge ist längst verdampft, und in diesem italienischen Restaurant hat er nur einen Campari vor dem Essen und ein Glas Chianti zum Essen getrunken. Und das ist auch verdampft inzwischen, bei den Fledermäusen.
    Auf Bier hat er keinen Appetit. Auch wenn’s gutes Holsten ist. Bei DAB, der Dortmunder Aktienbrauerei, die anfangs den ganzen Osten überschwemmt und übernommen hat mit ihren Aktien, hätte er vielleicht eins getrunken. Wegen der Heimat. Die ja eigentlich gar nicht seine richtige Heimat ist. Kalter Chianti muss auch nicht sein. Obwohl, schlechter als der beim Italiener kann der auch nicht sein. Jim Beam? Nee. Geht gar nicht. Jägermeister? Hasst er, seit er siebzehn ist. Zu süß. Obwohl da irgendwelche Kräuter drin sein sollen, die aggressiv machen. Bei Dauerkonsum. Goldkrone. Na, wenn das nichts ist. Hatte er

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