Im Stein
Als wär’s ein Teil von mir. Shut up.
Sie trinken Söhnlein, und die Russin erzählt. Tochter, Schwester, Geld verdienen, kleines Nest. Anderthalb Stunden ticken in der Glashütte.
Was für ein Nest war das, denkst du später, von dem sie dir erzählt hat? Wo sie wohnt. Du hast noch für eine Stunde mehr bezahlt, weil ja dein Termin gleich ums Eck ist. Vielleicht wirst du dir trotzdem ein Taxi nehmen. Irgendwo Richtung Schwerin. Hans hört zu, denn sie erzählt von ihrer Tochter. Und dass sie nur drei Tage die Woche hier arbeitet. Dienstag, Mittwoch und Freitag. Warum nicht Donnerstag?, denkt Hans. »Und es läuft?«, fragt er.
»Ja«, sagt sie und lächelt, »ganz gut.« Er kramt sein Russisch raus, das ist gar nicht so einfach.
»Menja sawut Gans«, sagt er, als sie auf ihm sitzt und er ihren Arsch in allen Spiegeln betrachtet.
Sie lacht und verschluckt sich fast dabei und lehnt sich zurück und rollt dann doch von ihm runter.
Er sieht seinen Schwanz mit dem Gummi, der wie eine Mütze von der Eichel hängt, was für ein blödes Wort, der Herbst kommt, und die Eicheln fallen, weil es im Russischen doch das H nicht gibt und sie das G oder so einen anderen komischen Buchstaben nehmen, der wie ein heiseres Husten klingt, so erinnert er sich zumindest, in der Schule haben sie das so gelernt, »Menja sawut Gans«, und die Flasche Söhnlein ist fast leer, und sie hat nur ein Glas getrunken, und er erinnert sich an all die russischen Worte, Morozhenoe s fruktami , »Ja, du bist schon ein Fruchteis, du Gans«, »Nee, du bist ein Fruchteis, ochen krasivoe Fruchteis«, und er weiß nicht, wie oft sie gebumst haben in den drei Stunden, Moment, wie kann das sein, da ist ihm wohl mit der Zeit was durcheinandergekommen, das lange Seil des Flaschenzuges, dreihundert Euro, oder waren es vierhundert wegen dem Spiegelzimmer?, und während er dann doch zu Fuß durch die Flughafenstraße läuft, wie hat er wieder geschnattert als alte Gans, die kann’s, und dass ihr Kind, ihre Tochter, jetzt bei ihrer Schwester ist, wenn sie arbeitet, weil ihre Schwester da in einem Imbiss arbeitet, aber nicht so, dass sie die ganze Zeit keine Zeit hätte … undsoweiter, du kennst diese Geschichten und lauschst ihnen trotzdem, weil diese blonde, sehr nette Russen-Tanja sie dir nach anderthalb Stunden erzählt, und du beißt dir auf die Lippen, um nicht von deinem Laden zu erzählen, als wenn das einen Unterschied machen würde, aber vielleicht doch, und Hans liegt im Sekundenschlaf, der Minuten dauert, und kommt zu sich und greift neben sich, und sie sagt: »Heh, meine Gans, ich bin nicht Liv«, und er wälzt sich auf sie, dass sie sagt: »Moment«, und nochmal rausgeht, weil keine Gummis mehr da sind, aber er wollte sie nur an sich pressen, »Na komm, Mädchen, nun hab dich nicht so«, Na, belüg dich doch selbst , nee, nix Lüge, und die Sonne wandert schnell, und er gibt ihr einen Extraschein, den sie erst nicht nehmen will, »Na komm, Mädchen, nun …«, aber dann trinken sie noch ein Glas, ihr zweites, neue Flasche, scheißegal, die bleibt halbvoll, halbleer am Kopfende stehen, und Hans blinzelt in die Sonne, fühlt sich schwach, fühlt sich stark, weiß kurz nicht, in welche Richtung er gehen muss, versucht, sich an die Wegmarken zu erinnern und …, und wacht nach Luft ringend auf, streicht über die lederne Haut, Moment mal, Tanja , ihre Haare liegen feucht nach der Dusche auf seiner Brust, er wirft Münzen in diesen bescheuerten Daddelautomaten in einer Spielhalle in der Flughafenstraße, wie die Mädchen früher manchmal geschimpft haben hinter seinem Rücken, wie war das noch, damals in der Schule?, Lernen, lernen, nochmals lernen , Lenin, ist eben nicht einfach, so einen Laden zu führen, Tanja setzt sich auf ihn, und er spürt die Spiegel im Halbdunkel auf seinem Körper, seinem Gesicht, und Hans steht auf der Pannierstraße unter den Bäumen und blickt auf seine Uhr.
Noch ist Zeit, und er hat Kleingeld, das ihm die Hosentaschen ausbeult. Dass man dann doch wieder und wieder versucht, privat zu sein. Oder es wird. Weil sich’s manchmal nicht vermeiden lässt. Dass das kommt, so wie es kommt, ob man will oder nicht.
»Und, schonmal ganz gut gewonnen heute«, sagte der Mann im grauen Sakko und stieg immer noch nicht aus, »draußen auf der Straße. Wir sollten alle in diese Maschinen investieren.«
»In der großen Zeit des Wartens«, sagte Hans und wunderte sich, weil er das so sonst nicht formulieren würde, »habe ich
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