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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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mich nur umgeschaut, wie ihr so lebt, wenn es das ist, was du meinst.«
    »Es geht doch hier nicht darum, wie irgendjemand lebt«, sagte der Mann im grauen Sakko und öffnete die Tür, »wir haben ein gutes Geschäft gemacht. Du warst der richtige Mann. Deutsch-deutsche Beziehungen und die alte Achse Tokio.« Er stieg aus dem Mercedes, und Hans ging ein paar Schritte zurück, damit die Tür ihn nicht berührte. »Lass uns hoch ins Büro gehen und alles zum Abschluss bringen. Ich glaube, dass wir alle zufrieden sein können.«
    Er reichte Hans die Hand. »Das glaube ich auch«, sagte Hans und nahm die Hand und drehte den Kopf, nur ein wenig, während er die Hand hielt, Richtung Flachbau und blinzelte in die Sonne und blinzelt in die Stadt. Bewegungen.
    Es ist immer noch heiß am Nachmittag, und er schwitzt. Wischt die Hände an seiner Hose ab und wirft ein paar Münzen nach und wartet auf die Diamanten. Es ist ein alter Automat, und er kann sich erinnern, dass er vor Jahren schon einmal an so einem Daddelding gesessen hat. Um die Nerven zu beruhigen. Wo war das gewesen? Und er sieht seine verschwitzte Stirn auf dem Automaten, sieht die anderen Spieler, neben ihm, hinter ihm, die leisen Melodien, die elektronischen Drehgeräusche der virtuellen Walzen, wischt mit dem Ärmel seines Jacketts über das Glas, denkt an das versiffte Spiegelzimmer in Hildesheim, weil er vorhin doch überlegt hat, wo das gewesen ist, als er über die Spiegel nachdachte. An der Wand, an der Wand … Besoffen ist er in diesen Laden getaumelt. Blöd angequatscht haben die ihn dort von der Seite. Das kann er gar nicht leiden, wenn ihn jemand blöd anquatscht, so von der Seite. »Halt mal du deine Fresse, sonst brech ich dir den Hals.« Da hatte er die Hand schon am Hals, den Hals schon an der Hand, der bescheuerte Doorman, aber sich selbst noch halbwegs unter Kontrolle. So kann man’s auch sagen, Hans, nicht wahr?
    Die haben dann auch Ruhe gegeben, und er ist in dem versifften, viel zu kleinen Spiegelzimmer eingepennt. An eine Frau kann er sich nicht erinnern. Hildesheim, Ruhrpott undsoweiter, Midlife-Krise, so würde er das formulieren. Als er dachte, er müsste das Land kennenlernen und rumfahren. Er hat sich immer gewundert, warum die ihn in dieser Absteige in der Nähe des Bahnhofs der Stadt H. nicht zur Sau gemacht haben, ihn nicht fertiggemacht haben. Vielleicht, weil er die Kohle in dem Laden verteilt hat und weil er ’n teuren Mantel getragen hat, und das war kein Laden, der so aussah, als würde da viel Kohle verteilt werden. Die Diamanten kommen nicht. Die bringen Extraspiele, da gehen die Zahlen nach oben. Warum spielt er das? Vielleicht ’ne Art Aberglauben. Tokio im Jahre null. Der Mann am anderen Ende der Welt. Dem er vor Jahren in der Stadt geholfen hat. Nicht jeder Japs kann Kung Fu. Und da steht Hans im Schatten und sieht, wie die den Mann fertigmachen. Warum auch immer. Und da überlegt er kurz und greift dann ein. Junge Typen, die klatscht er weg wie nichts.
    Na ja, ein Zahn war raus. Vorne, da hat er Gold seit fast fünfzehn Jahren.
    Und die Melodien daddeln in seinen Ohren, Ich möchte ein Pferd, irgendwann mal , und dann steht er wieder auf der Flughafenstraße, oder ist das immer noch die Pannierstraße?, und er weiß nicht, wo er sein Auto geparkt hat, dann fällt es ihm wieder ein, und er weiß, wo er hinmuss, hat schon vor einigen Stunden an der Toreinfahrt gestanden, um das Terrain zu prüfen, Aber wir sollten doch alle zufrieden sein mit diesem Vermittlungsgeschäft , er ärgert sich, dass er nur kurz am alten Stadion gestanden hat, die vier Flutlichtmasten wie gekrümmte stählerne Finger, und die meisten alten Kneipen und Läden hat er nicht wiedergefunden und ist doch deshalb so zeitig losgefahren, und er blickt auf seine Uhr und denkt: Na dann wolln wir mal.
    Und als die Türen des silber-metallic Mercedes sich öffnen und er schon an den Stufen zum Flachbau steht …
    »Scheiße«, sagte er, »nimm deine Finger weg von mir.« Der Typ trägt eine Pudelmütze mit Bommel, die sich auf seinem Rücken bewegt, hin und her schwingt, diese dicke bunte Bommel, weil der Typ seinen Oberkörper auf und ab bewegt. Er spricht nicht, er lallt. Und greift nach Hans und packt Hans an den Schultern. »Ach so, Geld willste, na, da kann ich dir mit ’ner kleinen Spende aushelfen. Aber nicht anfassen, Kollege.«
    Er schüttelt sich, ist wieder voll da und blickt den Mann mit der bunten Mütze an, der da vor ihm steht und lacht

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