Im Stein
hasse.«
»Ich weiß das. Und deswegen …«
»Und das ist nicht nur wegen den Bullen oder wegen dem Gesundheitsamt oder wegen irgendwelcher bescheuerter Lizenzen …«
»Nein, ich …«
»Sei still. Lass den Alten bisschen erzählen …«
»Du bist nicht alt, Arnold.«
»Ja, ja. Natürlich nicht. Kennst du das, wenn du im Herbst über alles nachdenkst?«
»Ich weiß nicht. Ja.«
»Ich meine nicht diesen Oktober-Herbst, Indianer-Sommer, wie die Amis sagen …«
»Habe ich noch nie gehört.«
»Wenn alles bunt und golden ist. Und wenn du denkst, der Sommer kommt nochmal zurück.«
»Wie schön du das sagst. Das habe ich immer gemocht.«
»Halt dich fern von diesem Burschen. Denk nichtmal an ihn. Er ist wahnsinnig. Und sucht die Geister, wo sie nicht sind. Nie gewesen sind. Der sucht seine eigenen Geister, aber ist Jahre zu spät dran damit.«
»Die Leute sagen, dass du …«
»Wer sagt das? Wer sagt was?«
»Dieses Haus damals, war das dreiundneunzig?«
»Wie alt warst du da, Baby?«
»Ich weiß nicht. Noch ziemlich jung …«
»Das macht mich wütend. Das macht mich traurig. Dass dir die Leute sowas erzählen …«
»Nein, Arnie, hör zu, das ist doch nur, weil’s jetzt wieder in der Zeitung war …«
»Sei kurz still, Baby, sei kurz still. Und fang nie wieder damit an. Ein Freund von mir sagt immer, Coppenrath & Wiese …«
»Die Tortenfirma?«
»Nicht die scheiß Torten. Die Leute, die du auch kennst, ganz genau kennst. Die denken, dass sie was Besseres sind. Denen die Augenbrauen zucken, wenn sie uns sehen und von uns hören. Halt kurz die Klappe, Baby! Die denken, dass das alles gleich ist. Günther Jauch, Wer wird Millionär. Die denken, dass der Schmutz rot ist. Und hören was und lesen was und denken, der, der da, das ist einer von denen, die, die da, das ist eine von denen …, und denken, das ist alles gleich, dass das alles gleich ist. Und wissen nichts, und wissen gar nichts. Und gehen zu dir und gehen zu den Mädels und erzählen Scheiße und denken …«
»Dass sie besser sind als wir? Tut mir leid. Ich wollt nicht, dass du dich aufregst, aber das ist, weil doch der kleine Mann seit Jahren … Bin schon still.«
»Ach komm, Mädchen, nicht so. Nicht so. Fang nicht an, dich für irgendwas zu entschuldigen. Nicht bei mir, nicht bei denen. Das hat mit dir nichts zu tun, und das hat mit euch nichts zu tun. Das war ein Stück Dreck. Der . Nicht der Kleine . Der Ex-Boxer, wie’s im Buche steht. Weniger noch als Dreck. Der . Dreiundneunzig. Die Geschäfte waren damals anders als heute. Der Dreck ist verschwunden. Wir haben auch dafür gesorgt, dass der Dreck verschwunden ist. Nichts davon, nein, nichts davon ist irgendwo in meinen Taschen. Und dieser Mann reitet …, ach, was sag ich, jetzt quatsche ich schon eine Scheiße wie du …, dieser Bursche, klein und gerissen, wie er ist, wühlt im Dreck und denkt, und denkt, dass da was von dem Dreck bei mir in den Taschen liegt. In meinem Haus, in meinem Kopf, Herbst oder Winter, oder sonstwo.«
»Ich weiß doch, Arnie, dass bei dir …«
»Nichts weißt du. Gar nichts weißt du. Ich hab ihn mal gesprochen, den Reiter …, noch bevor …«
BUMM BUMM (Die Erdgeschosswohnung erzittert, das Wasser im Whirlpool zittert, kleine Wellen auf der Oberfläche, obwohl keiner mehr drin ist und keine Blasen und keine Bläschen, millionenfach, an den nackten Leibern kitzeln. Feierabend, fast schon zwölf.)
»Sind die nicht verrückt, Arnie? Mit ihrem Tunnel?«
»Ja, ja, ja, das sind sie. Da hast du recht, Mädchen, da hast du wirklich recht, Baby. Geh jetzt nach Hause. Was für eine wahnsinnige Bande, in dieser wahnsinnigen Stadt.« Der Stock, den er an den Tisch gelehnt hat, fällt um, als sie aufsteht und aus dem Zimmer geht. Der Boden bebt und vibriert unter seinen Füßen. Er hat nicht gewusst, dass sie auch nachts bohren. Er nimmt den Stock nur selten mit, aber wenn es Winter wird, kann er spüren, wie sein Bein langsam steif wird. Eigentlich wollte er nochmal auf den Bahnhof, aber nun ist’s zu spät. Bisschen was einkaufen, es gibt dort einen guten Wein- und Whisky-Laden. Die Mädels fahren nach Hause oder legen sich hin, wo sie sind. Zeit für Feierabend. Nur in wenigen Wohnungen läuft das Geschäft bis nach Mitternacht. Die Handys werden ausgeschaltet, die automatischen Ansagen auf den Festnetztelefonen angeschaltet. »Hallo, hier ist Sissy, meinen umfangreichen Service kannst du wieder von neun bis …« Er muss Frank
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