Im Strudel der Gefuehle
Augenfarbe der beiden Brüder so unterschiedlich waren, zeigte sich die Familienähnlichkeit ganz deutlich an ihren breiten Fingernägeln.
»Also«, sagte Jessica. »Es geht ungefähr so: einen Schritt nach rechts, über Kreuz, verbeugen, einen Schritt nach rechts...«
Die beiden begriffen schnell. Schon nach kurzer Zeit bewegten sie sich im Einklang mit Jessicas Schritten hin und her.
Wolfe stand immer noch in der Tür und beobachtete seine Frau, die sich zwischen den beiden Brüdern ausgesprochen wohl zu fühlen schien. Mit ihren knapp einsfünfundsechzig war sie gute fünfzehn Zentimeter kleiner als die beiden Männer, und doch hatten ihre Proportionen nichts Kindliches an sich. Die Kurven ihrer Brüste und Hüften, ihrer Taille und Beine zeichneten sich bei jeder ihrer fließenden Bewegungen deutlich unter den weichen Falten ihres Kleides ab.
Schließlich klang der Walzer in einem leisen Akkord aus. Rafe und Reno lächelten sich über Jessicas Kopf hinweg zu. Jeder von ihnen führte eine von Jessicas Händen an seine Lippen und küßte sie. Geschmeidig wie eine Gerte machte sie vor ihnen einen tiefen Knicks. Obgleich keiner der beiden den Gedanken laut aussprach, war an ihren Gesichtern deutlich abzulesen, wie sehr sie ihre Tanzpartnerin verzaubert hatte.
»Spiel das noch einmal, Caleb«, murmelte Willow. »Das ist eines meiner Lieblingslieder.«
Die Melodie des Walzers erklang von neuem. Die beiden Brüder tauschten einen vielsagenden Blick untereinander aus. Lächelnd ließ Rafe Jessicas Hand los und setzte sich.
Bald schon wirbelten Jessica und Reno von neuem im Zimmer herum. Reno hielt seine Partnerin locker im Arm, betrachtete sie liebevoll mit seinen grünen Augen und sang dabei gleichzeitig mit seiner schönen Stimme mit. Diesmal waren Renos Worte nur für Jessicas Ohren bestimmt. Sie wurde erst rot und lachte dann mit überschäumender Freude. Reno packte Jessica fester und wirbelte sie so lange herum, bis ihr Rock sich blähte wie eine Flamme im Wind. Er wartete u nd beugte sie dann so weit zurück, daß sie sich ihm ganz und gar anvertrauen mußte, wenn sie das Gleichgewicht nicht verlieren wollte.
Als sie sich so vertrauensvoll von ihm führen ließ, huschte ein Lächeln über sein Gesicht, das ihn vollkommen verwandelte und jeder Frau augenblicklich den Atem verschlagen hätte.
Eine eiskalte Wut packte Wolfe.
Wenn ich sie anfasse, beschimpft sie mich, als wäre ich eine Bestie, doch wenn Reno sie in den Arm nimmt, strahlt sie ihn an, als wäre er gerade auf einer Wolke vom Himmel herniedergeschwebt.
Ich weiß nicht, wer von uns beiden der größere Nan ist - ich, weil es mir nicht gleichgültig ist, oder Reno, weil er auf diese berechnende kleine Aristokratin hereinfällt.
Wolfe durchquerte das Wohnzimmer mit raubtierhaften Bewegungen, die Rafe und Caleb bereits vor dem warnten, was jeden Moment geschehen würde. Reno hatte Wolfe gar nicht bemerkt, denn seine Aufmerksamkeit galt nach wie vor Jessicas Lachen, der außergewöhnlichen Farbe ihrer Augen und dem hell flackernden Feuer, das in ihrem Haar auf- und abtanzte. Er war vollkommen überrascht, als ihm jemand hart und ungeduldig auf die Schulter klopfte.
»Immer mit der Ruhe, großer Bruder«, sagte Reno. »Du kommst ja auch gleich an die Reihe.«
Die kalte Wut in Wolfes Stimme ließ Renos Kopf herumfahren. Er sah Wolfe nur einmal kurz an und ließ Jessica augenblicklich los. Sie wollte Wolfe gerade anlächeln, doch als sie seine Augen sah, verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht. Sie stolperte, als er sie von Reno wegriß.
»Tut mir leid«, sagte sie und versuchte, ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen, indem sie sich an Wolfe festhielt. »Du hast mir einen Schreck eingejagt.«
Wolfe versuchte nicht einmal so zu tun, als hätte er ein schlechtes Gewissen, sie aus dem Takt und dem Gleichgewicht gebracht zu haben.
»Ich werde noch etwas ganz anderes tun, als dir nur einen Schreck einzujagen, wenn du weiter darauf bestehst, jedem Mann um dich herum den Kopf zu verdrehen.«
Wolfes Stimme war genauso erbarmungslos wie der Ausdruck in seinen Augen. Obwohl seine Stimme so leise war, daß niemand außer Jessica sie hören konnte, war jedes Wort so klar und deutlich, daß sie zusammenzuckte, als hätte sie jemand geohrfeigt.
»Ich wollte doch niemandem den Kopf verdrehen...«
»Das kannst du vielleicht jemand anderem weismachen«, fuhr ihr Wolfe mit eisiger Stimme dazwischen. »Und jetzt hör mir zu und paß gut auf. Du hast mich zu
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