Im Strudel der Gefuehle
Augenblick später folgte eine weitere Stimme, die sich in einem rhythmischen, wortlosen Echo den beiden anderen anpaßte. Als Jessica zu Rafe hinüberschaute, sah sie, daß sein Summen eine tadellose zweite Stimme abgab.
Verbittert beobachtete Wolfe, wie glücklich und zufrieden Jessica aussah, als sie Renos Stimme und Rafes schwermütige Musik hörte. Sogar als Wolfe einfiel, daß sie Caleb und Willow genauso gern hatte, änderte sich nichts an seinen Gefühlen. Es war Jessicas unverhohlene Bewunderung für die beiden Brüder, die Wolfe innerlich wie ein Peitschenhieb traf.
Doch Reno und Rafe waren ihrerseits Jessicas unbewußtem Charme gegenüber nicht ganz unempfindlich. Ein warmes Lächeln trat jedesmal in ihre Augen, wenn sie lachte und lächelte, oder auch nur ins Zimmer kam. Obwohl keiner der beiden ihr bisher auch nur einen zweideutigen Blick zugeworfen hatte, kam Wolfe einfach nicht darüber hinweg, daß sie sich ganz offensichtlich in ihrer Gesellschaft viel wohler fühlte als in seiner eigenen. Daß er selbst unermüdlich darauf hingearbeitet hatte, daß sie sich in seiner Gegenwart unbehaglich fühlte, machte die ganze Sache noch viel schlimmer.
Ich hätte sie niemals herbringen sollen. Ich hätte wissen müssen, daß Reno den Winter bei seiner Schwester verbringen würde. Ich hätte wissen müssen, welche Wirkung Jessicas verträumte blaue Augen und ihr Lachen auf einen einsamen Mann haben würden. Gott weiß, was für eine Wirkung sie auf mich haben!
Oder der Teufel! Immerhin brennt mein Verlangen nach Jessica wie das Feuer der Hölle. Doch das werde ich schon überstehen. Was ich jedoch nicht überstehen werde, ist mit ansehen zu müssen, wie sie wie ein Schmetterling zwischen diesen beiden gutaussehenden Brüdern herumflattert.
Eigentlich sollte ich Jessi packen und alles stehen- und liegenlassen.
Doch das brachte Wolfe nicht über sich. Er mochte Willow einfach zu gern, um ihr Jessica wieder wegzunehmen; besonders jetzt, wo Willow sich weigerte, die Ranch zu verlassen, um das Kind zur Welt zu bringen.
Als Caleb zu einer Ballade im Dreivierteltakt ansetzte, begann Jessica die Melodie mitzusummen und im Takt mit den Fingerspitzen zu schnippen.
»Wolfe?« fragte sie mit erwartungsvoller Stimme und hoffte insgeheim, daß er sie zum Tanzen aufforderte.
Doch Wolfe schüttelte den Kopf. Er hätte nur zu gern mit ihr getanzt, aber er wußte nicht, ob seine Selbstbeherrschung dazu ausreichte. Sobald er sie in den Armen hielt, würde er nicht länger verbergen können, wie sehr er sie begehrte.
»Ich könnte einen Schluck Wasser vertragen«, sagte Wolfe und ging in die Küche.
Jessicas Augen folgten ihm, als er das Zimmer verließ.
»Niemand soll behaupten können, daß Matthew Moran untätig dabeigesessen hat, als eine schöne Frau tanzen wollte«, sagte Reno.
Er ging zu Jessica hinüber, verbeugte sich und bot ihr seinen Arm an. Sie ergriff seine Finger und stand auf.
»Vielen Dank, mein Herr.«
Jessica lächelte, machte einen Knicks und schmiegte sich mit einer Eleganz in Renos Arme, die sie von den besten Tanzlehrern im ganzen britischen Königreich gelernt hatte.
In der Küche trank Wolfe ein Glas Wasser nach dem anderen, wobei er ununterbrochen vor sich hin fluchte. Er hätte nichts lieber getan, als Jessica in den Arm zu nehmen, die Wärme und die weichen Formen ihres Körpers zu spüren und ihr so nahe zu sein, daß er ihr dezentes, nach Rosen duftendes Parfüm riechen und das helle Leuchten in ihren Augen sehen konnte.
Doch jetzt hatte ein anderer seine Stelle eingenommen.
Der Becher gab ein metallisches Knirschen von sich, das von Calebs Mundharmonika übertönt wurde, als er ihn gegen den Waschbeckenrand schmetterte. Mit wenigen geräuschlosen Schritten stand Wolfe in der Küchentür. Im Schatten des Eingangs lehnte er sich gegen den Türrahmen und beobachtete Jessica mit einem Verlangen, das ihn jeden Moment zu überwältigen drohte. In ihrem himbeerfarbenen Seidenkleid leuchtete ihre Haut so makellos wie Porzellan. Die schlichte Haarschleife, die Willow ihr in ihr Haar zu binden beigebracht hatte, betonte die feinen Züge ihres Gesichts. Überall, wo ihr Haar sich gelöst hatte, legte es sich in weichen Locken um ihre Schläfen, ihren Nacken und ihre Ohren.
Noch während Wolfe beim Anblick seiner Frau in den Armen eines anderen die Eifersucht in sich aufsteigen fühlte, mußte er sich daran erinnern, daß nichts Unanständiges dabei war, wenn sie mit jemand anderem tanzte.
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