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Im Strudel der Gefuehle

Titel: Im Strudel der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
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gut, mein Elfchen«, sagte er mit sanfter Stimme. Er streichelte Jessicas Haar und versuchte so, ihre Anspannung etwas zu lockern. »Dir kann nichts passieren. Dafür sorge ich schon.«
    »Das habe ich auch einmal geglaubt«, flüsterte sie. Ein Schauder überlief sie. »Nichts kann den Wind jetzt mehr aufhalten.«
    »Der Wind kann dir nichts anhaben.« Wolfes Hand strich langsam über Jessicas weiches Haar. »Bei mir bist du sicher.«
    Sie schwieg so lange, bis Wolfe anfing, sich Sorgen zu machen. Er drehte sich um und wollte eine Kerze anzünden, weil er glaubte, das warme Flackern würde Jessica ein wenig trösten. Als er sich wieder zu ihr wandte, starrte sie mit einem so leblosen Gesichtsausdruck aus dem Fenster, daß ihm bei seinem Anblick das Blut gefror.
    »Jessi?« flüsterte er.
    »Hast du sie denn nicht gehört, mein Liebster?« fragte sie. Ihre Stimme und ihr Tonfall erinnerten ihn an das kleine schottische Mädchen, das sie einst gewesen war.
    Wie eine eisige Hand spürte Wolfe die Angst im Nacken. »Wen soll ich gehört haben?«
    Jessica blinzelte verwirrt, und diesmal sprach sie in gebrochenem Englisch. »Der Graf hat sich wieder zu Mami geschlichen. Bald geht das Schreien wieder los, dann kommt das Blut, dann ist es Zeit, ein frisches Grab auszuheben.«
    Wolfe schaute auf Jessica herab. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Blick auf etwas gerichtet, das nur sie allein sehen konnte; etwas, das solches Entsetzen in ihr auslöste, daß sie bei seinem Anblick buchstäblich erstarrte.
    »Sag mir, was du siehst«, befahl ihr Wolfe mit sanfter Stimme.
    Sie schloß die Augen. »Ich will nicht daran denken.«
    »Du mußt. Es wird dich sonst umbringen. Du mußt deinen Dämonen fest in die Augen schauen, damit sie dir nichts mehr anhaben können. Na los, Jessi. Nichts kann schlimmer sein als das, was du jetzt durchmachst.«
    Wie eine Lawine rollte der Donner über das Haus hinweg und erschütterte es in seinen Grundfesten. Jessica zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie befand sich an einem anderen Ort, wo im selben Augenblick ein viel schrecklicheres Gewitter tobte. Ihre Augen öffneten sich und starrten ins Leere. Vor ihr lag eine Vergangenheit, die nur sie sehen konnte.
    »Der Graf will einen Sohn«, flüsterte sie. Diesmal war kein englischer Akzent zu hören, kein schottischer Einschlag, nur der Rhythmus und der Tonfall des Westens.
    Wolfe streichelte Jessicas Haar und versuchte so, sie zu beruhigen.
    »Und was weiter?« sagte er leise.
    »Der Graf will einen Sohn.«
    »Ja, ich verstehe.«
    »Mutter will aber nicht. Schon nach dem ersten Mal wollte sie nicht mehr. Schon damals wäre sie beinahe daran zugrunde gegangen.«
    Wolfes Hand zögerte, als ihm einfiel, wie überzeugt Jessica davon gewesen war, daß keine Frau nach der ersten Geburt noch weitere Kinder haben wollte. Langsam fuhr er fort, mit ruhigen, gleichmäßigen Bewegungen Jessicas zerzaustes Haar zu streicheln.
    »Ist dein Vater wütend auf deine Mutter?«
    »Die ganze Zeit. Er ist betrunken. Er geht den Korridor entlang zu Mutters Zimmer. Die Tür ist verschlossen. Er hämmert dagegen, immer und immer wieder. Ich kann nicht alles verstehen, was er ruft, denn draußen heult der Wind und sie hat wieder angefangen zu schreien.«
    Erneut schloß Wolfe die Augen und hoffte inständig, daß seine Befürchtungen sich als unbegründet herausstellen würden.
    »Macht deine Mutter die Tür auf?« fragte er.
    »Nein.«
    Mit einem stillen Seufzer der Erleichterung fragte Wolfe: »Was kannst du sonst noch sehen?«
    »Er geht mit einer Axt auf die Tür los. Es donnert und knallt und jemand schreit. Ihre Schreie klingen wie das Heulen des Windes.«
    Wolfe schloß einen Moment lang die Augen. Mit großer Vorsicht berührte er Jessicas Stirn mit seinen Lippen. Sie war schweißgebadet.
    »Er schleift sie auf den Korridor hinaus«, fuhr Jessica fort. »Dabei brüllt er, daß sie ihm einen Sohn schenken wird, und wenn es das letzte auf dieser Welt ist, was sie gemeinsam tun werden. Ich könnte schwören, daß er recht behalten wird.«
    Wolfs Herz wurde schwer, als er zu ahnen begann, was als nächstes kam. »Jessie...«
    Sie hörte nicht auf ihn. »Mutter wehrte sich, so gut sie konnte, aber er verprügelte sie so lange, bis sie still war, und verging sich dann an ihr. Als alles vorbei war, lag sie einfach nur da, bis ich ihr das Blut abwusch und sie wieder auf ihr Zimmer zurückbrachte.«
    »Allmächtiger Gott«, hauchte Wolfe voller Entsetzen. »Du warst doch

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