Im Strudel der Gefuehle
aufmerksam beobachtete. Er schaute über die Schulter und sah den Ausdruck der Bewunderung in ihren Augen, als sie seinen nackten Rücken betrachtete. Er spürte das alte Verlangen in sich erwachen, aber diesmal war es nicht von Eifersucht gefolgt. Endlich war ihm klar, daß sie ihn nicht an der Nase herumführen wollte, um sich an seinen Qualen zu weiden. Jessica wußte einfach nicht, wie einladend ihr Blick auf einen Mann wirkte. Sie hätte sich vor sich selbst gefürchtet, wenn ihr klar gewesen wäre, was sie mit einem einzigen Blick ausrichten konnte. Nach allem, was sie bisher über die Liebe erfahren hatte, hätte ihn das nicht weiter gewundert.
Als er zurückkehrte, hatte er ein kleines Glas Brandy in der einen und eine Wärmflasche in der anderen Hand. Er legte die Wärmflasche auf der Bettkante ab, setzte sich und wärmte das Glas zwischen seinen Handflächen. Schon bald stieg Jessica das volle Aroma des Brandys in die Nase.
»Ich möchte, daß du das hier als eine Art Medizin betrachtest«, sagte Wolfe. »Es wird den letzten Rest der Kälte aus deinen Knochen vertreiben.«
»Woher wußtest du, daß mir innerlich noch ganz kalt ist?«
Er zuckte die Achseln. »Ich weiß, wie das ist, wenn man sich zu Tode fürchtet. So was vergißt man nicht so schnell.«
Voller Überraschung sah sie ihn mit ihren aquamarinblauen Augen an. »Du?«
Wolfe lächelte, als er den ungläubigen Ausdruck in ihrem Gesicht sah. »Und nicht nur einmal.«
»Wann?«
»Am schlimmsten war es, als ich einmal Zusehen mußte, wie ein Büffelbulle auf Lord Stewart zugestürmt kam. Sein Pferd war in das Loch eines Präriehundes getreten und zu Boden gegangen. Ich befand mich am anderen Ende der Herde und ritt ohne Sattel und im vollen Galopp. Ich hatte erlebt, wie Krieger der Cheyenne von Büffeln mit den Hörnern aufgeschlitzt wurden, und wußte deshalb ganz genau, was geschehen würde, wenn mein Schuß danebenging.«
»Aber er ging nicht daneben.«
»Nein. Aber manchmal glaube ich beinahe, es wäre besser gewesen, wenn ich mein Ziel verfehlt hätte.«
Als Wolfe den Ausdruck des Entsetzens auf Jessicas Gesicht sah, zogen sich seine Mundwinkel nach unten. Er ermutigte sie, noch einen Schluck Brandy zu trinken. Sie schluckte, verzog das Gesicht und schluckte dann noch einmal.
»Das sollte nicht heißen, daß ich Lord Robert den Tod wünsche«, sagte er schließlich. »Doch wenn ich nicht so ein ausgezeichneter Schütze gewesen wäre, hätte er mich bestimmt bei den Cheyenne bleiben lassen. Ich war damals erst dreizehn und der Stamm fing gerade an, mich in die Geheimnisse eines echten Kriegers einzuweihen.«
Jessica beobachtete Wolfe über den Rand des Brandyglases hinweg. In ihren aufmerksamen Augen spiegelte sich die munter flackernde Kerzenflamme.
»Vielleicht wäre alles ganz genauso gekommen, wenn ich geblieben wäre«, sagte Wolfe achselzuckend. »Ich war immerhin kein echter Cheyenne. Ein Teil von mir war immer schon fasziniert vom Land jenseits des Ozeans, wo mein Vater lebte. Doch ein richtiger Engländer war ich auch nie. Da steckte immer zuviel in mir, das sich nach Lagerfeuern und der Wildnis sehnte. Der blutrünstige wilde Sohn des Grafen.«
Sie gab einen leisen, protestierenden Laut von sich.
Wolfe zuckte noch einmal die Achseln. »Am Ende war ich weder ein richtiger Indianer noch ein richtiger Engländer. Ich hatte mich daran gewöhnt, meinen eigenen Weg zu wählen und nach meinen eigenen Regeln zu leben.«
»Wie geschaffen für das Leben hier draußen im Westen.«
Ein seltsames Lächeln huschte über sein Gesicht. »Ja, ein Mann ohne Heimat und Familie, dafür aber mit einer Vergangenheit, die er hinter sich zu lassen versucht.«
Einen Augenblick lang schaute Wolfe an Jessica vorbei. In seinen Zügen lag ein überwältigender Ausdruck der Melancholie. Und wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen, denn sie wußte genau, woran er dachte: er gehörte hierher, in den Wilden Westen - seine Frau nicht.
»Wolfe«, sagte sie mit heiserer Stimme.
»Trink aus, Elfchen. Dann werde ich dein Gesicht und deine Hände in Rosenwasser baden. Hinterher kann ich dich in die Arme nehmen, wenn du möchtest; dann kannst du einschlafen, ohne daß du den Wind hören mußt.«
Jessica wollte etwas sagen, aber Wolfe legte seinen Daumen sanft gegen ihre Lippen.
»Trink aus. Das hilft mindestens genausogut gegen Muskelkater wie eine Massage.«
Die Erinnerungen an den Abend, als Wolfe ihren erschöpften Körper mit duftendem Öl
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