Im Strudel der Gefuehle
sich. »Niemals, niemals, niemals! Du warst mein Glücksbringer, mein Talisman gegen den Wind. Ich habe dich immer über meinem Herzen getragen, aber dann hast du angefangen, mich zu hassen. Ich fühlte mich so dem Wind ausgeliefert.«
Eine unerträgliche Mischung aus Kummer und Selbstverachtung stieg in Wolfes Kehle auf wie Galle. Er drückte Jessica so fest an sich, daß er ihren Atem auf seiner Haut spürte.
»Wo wolltest du hin, als ich dich vor ein paar Minuten aufgehalten habe?« fragte er schließlich.
»Hinaus in den Wind.«
Als Wolfe etwas sagen wollte, vermochte er es zuerst nicht. Dann brachen die Worte aus ihm hervor, und mit jedem Atemzug wiederholte er immer nur ihren Namen, während er ihre Lider und Wangen mit einem Schauer von Küssen bedeckte. Er wollte ihr sagen, wie leid es ihm tat, daß er ihr weh getan hatte, aber alles, was ihm jetzt in den Sinn kam, war das Bedauern darüber, wie sehr er sie die ganze Zeit über mißverstanden hatte.
Wenn ich bei dir bin, höre ich den Wind nicht mehr.
Genau in diesem Moment hatte er sich gegen sie gestellt und sie der einzigen Macht auf der ganzen Welt preisgegeben, vor der sie sich wirklich fürchtete.
»Es tut mir leid, Jessi«, flüsterte er schließlich. »Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich niemals so rücksichtslos gewesen. Kannst du mir das glauben?«
Jessica nickte und preßte ihr Gesicht fest an Wolfes Hals.
»Kannst du mir vergeben?« fragte er.
Und wieder nickte sie und drückte ihn noch ein wenig fester an sich.
Er gab ein unterdrücktes Schluchzen von sich. »Ich weiß nicht, wie du das fertigbringst. Ich kann mir ja selbst nicht einmal verzeihen.«
Schweigend hielt er Jessica so lange im Arm, bis er spürte, wie auch die letzte Anspannung aus ihrem Körper wich. Sie zuckte immer noch zusammen, wenn der Wind das Haus schüttelte, aber dafür hatte sie aufgehört, wie Espenlaub zu zittern. Schließlich gab sie ein langes, gebrochenes Seufzen von sich und küßte Wolfes Hals an der Stelle, wo eben noch ihr Gesicht geruht hatte. Seine Haut war warm und immer noch naß von ihren Tränen.
»Es sieht so aus, als hätte ich dich ganz naß gemacht.« »Das macht doch nichts.«
Jessica legte den Kopf in den Nacken, damit sie Wolfes Augen besser sehen konnte. »Wirklich?«
»Wirklich.«
Sie lächelte, auch wenn ihre Lippen immer noch leicht zitterten. »Soll das heißen, du hast mir verziehen?«
»Das habe ich doch schon gesagt, Jessi. Es war nicht mein Ernst, als ich gesagt habe, daß ich es nicht ertragen kann, dich weinen zu sehen.«
»Nein. Was ich damit sagen wollte, war: verzeihst du mir, daß ich dich zur Heirat gezwungen habe?«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Dann seufzte Wolfe: »Du warst davon überzeugt, daß es für dich um Leben und Tod ging. Dafür kann ich dir doch nicht böse sein.«
»Ich wußte nicht, wie ungerecht es dir gegenüber sein würde«, flüsterte Jessica, und erneut flossen ihre Tränen. »Ich war fest davon überzeugt, daß ich dir eine gute Frau sein könnte. Ehrlich. Ich konnte doch nicht ahnen, daß mir dazu in... in jeder Beziehung noch soviel gefehlt hat.«
Wolfes Daumen strich über ihre Lippen und brachte sie zum Schweigen, bevor sie noch aussprechen konnte, was ihr bereits auf der Zunge liegen mußte. »Sei doch nicht so bescheiden, Jessi. Es ist doch nicht deine Schuld, daß ich nur ein Halbblut bin. Für einen Lord würdest du eine wundervolle Ehefrau abgeben.«
»Hör auf«, sagte sie und legte ihre Finger auf seinen Mund.
Sanft schob er ihre Hand beseite und fuhr dann fort: »Das ist die reine Wahrheit. Du bist dazu geboren, in einem hochherrschaftlichen Schloß zu wohnen.«
»Nein, die Wahrheit ist, daß du ein Mann bist, der jeder Frau den Kopf verdrehen kann; und das Herz brechen noch dazu. Das muß du doch wissen, Wolfe.«
»Ich weiß nur, daß es bei Männern, Pferden, Hunden oder Frauen nicht aufs Aussehen ankommt«, sagte er trocken.
Jessica lächelte trotz der Tränen, die an ihren Wangen hinunterliefen. »Es ist nicht nur Euer Aussehen, mein liebster Lord Wolfe, wie Ihr sehr genau wißt. Ihr seid eben durch und durch ein Mann.«
Wolfe beugte sich vor und strich mit dem Mund über die silbrigen Spuren ihrer Tränen. »Bleib unter der Decke liegen, Jessi. Ich bin gleich wieder da.«
Wolfe erhob sich aus dem Bett und zog sich die dunkle Hose über, die er vor kurzer Zeit erst ausgezogen hatte. Als er aufstand, spürte er, wie Jessica jede seiner Bewegungen
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