Im Strudel der Gefuehle
Leiche. »Es kommt wahrscheinlich ein bißchen zu spät, aber ich habe mir sagen lassen, daß so eine Seele ein ziemlich unverwüstliches Ding ist und daß unser Herr ein gnädiger Gott sein soll.«
»Prediger Corman sagt aber etwas ganz anderes«, murmelte der Junge und drehte die Münze hin und her.
»Dann geh lieber zu einem anderen Prediger«, riet ihm Rafe. »Das Leben ist auch so schon hart genug, ohne daß solche schwarzbefrackten Geier über dir kreisen.«
Der Junge schmunzelte. »Jawohl, Sir.«
Funkelnd beschrieb die Münze einen weiten Bogen, als der Junge sie in die Luft warf, auffing und mit einem breiten Grinsen in die Hosentasche steckte. Er trottete über die Straße zum Laden zurück, um sein Abenteuer mit den Leuten zu teilen, die hinter verschlossenen Türen alles beobachtet hatten.
Die Kutsche schaukelte und quietschte, als Wolfe auf den Kutschbock kletterte. Jessica hob die Zügel und die Reitpeitsche, um die Pferde anzutreiben. Wolfes schwarze Augenbrauen zogen sich fragend in die Höhe.
»Da waren noch mehr Männer im Saloon«, erklärte sie.
Wolfe schaute nur kurz zu dem Gebäude hinüber, nickte und begann, das Gewehr nachzuladen, während er Rafe auf der harten Sitzbank Platz machte.
»Wenn Sie auch nur halb so gut mit Rindern umgehen können wie mit dieser Peitsche, ist Cal bestimmt im siebten Himmel«, sagte Wolfe, während Jessica die Pferde auf den Mietstall zulenkte. »Er hat ein paar Indianer und einen ehemaligen Sklaven, die die Herde für ihn treiben, wenn ihnen gerade danach ist. Manchmal geht ihm Reno zur Hand, wenn er nicht gerade dem Gold hinterherjagt. Aber meistens fehlt es Cal an guten Leuten. Wenn erst einmal der Frühling kommt und die Rinder zu kalben anfangen, dann ist jede zusätzliche Hilfskraft Gold wert.«
»Reno?« Rafe hörte für einen Moment auf, die Peitsche sauberzumachen und geistesabwesend aufzurollen. »War das nicht der letzte von den dreien, die die San-Juan-Berge angeblich wie ihre Westentasche kennen? Nach Ihnen und Caleb, wenn ich mich recht erinnere.«
»Reno kennt sich in dieser Gegend besser aus als ich. Es ist manchmal beinahe ein bißchen unheimlich, wie gut er sich zurechtfindet. Aber ich nehme an, Sie kennen Reno eher unter einem anderen Namen«, sagte Wolfe mit einem breiten Grinsen.
»Tatsächlich?« brummte Rafe.
»Matthew Moran«, verkündete Wolfe.
Rafe war sichtlich erleichtert. »Matt? Das heißt, es geht ihm gut? Sein letzter Brief klang so, als säße er ganz schön in der Klemme.«
»Reno geht es bestens, mal abgesehen davon, daß er sich jedesmal wie ein Vollidiot benimmt, wenn es ums Gold geht.«
»Genauso wie ich mich jedesmal wie ein Vollidiot benehme, wenn mich das Reisefieber packt«, grinste Rafe. »Es müßte schon mit dem Teufel...« Als ihm einfiel, daß Jessica neben ihm saß, zögerte er einen Moment, »...ein Wunder geschehen, bevor wir Morans uns an die Kette legen lassen.«
Wolfe lächelte still. »Kein Mann läßt das gerne mich sich machen, jedenfalls nicht, bis er eine Frau wie Willow gefunden hat.«
Die Peitsche knallte, und die Pferde legten an Tempo zu. Rafes graue Augen streiften Jessica mit einem anerkennenden Blick.
»Oder jemanden wie Ihre Frau«, sagte Rafe. »Sie können wirklich ausgezeichnet mit den Zügeln umgehen, Ma’am.«
Wolfes Augen verengten sich mißtrauisch, und sein Lächeln verschwand. Rafe spürte sofort, wie der Mann neben ihm auf der engen Sitzbank sich versteifte.
»Ein Herumtreiber wie ich«, fuhr Rafe unbekümmert fort, nachdem er Wolfe einen fragenden Blick zugeworfen hatte, »kann sich natürlich auch an den schönen Dingen des Lebens erfreuen, ohne daß er sie sofort besitzen will. Besitztümer fesseln einen Mann nur an einen bestimmten Ort. Und nichts auf dieser Welt, so kostbar oder wundervoll es auch immer sein mag, besitzt dieselbe magische Anziehungskraft für mich wie der nächste Sonnenaufgang.«
Mit sichtbarer Anstrengung brachte Wolfe seine Eifersucht unter Kontrolle. Er wußte selbst nur zu gut, daß es vollkommen unvernünftig war, auf Rafe wütend zu sein, nur weil er Jessica ein Kompliment gemacht hatte. Doch Vernunft hin oder her, er konnte nicht aus seiner Haut. Und daran würde sich so lange nichts ändern, bis Jessica zur Besinnung kam und endlich sich und ihn aus dieser unmöglichen Lage befreite, indem sie ihre Ehe für ungültig erklären ließ.
Doch bis dahin mußte Wolfe um seine Selbstkontrolle ringen, was mit jeder Nacht, ja beinahe jeder
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