Im Strudel der Gefuehle
Frau zu sein.
Doch, das wirst du.
Mit jedem Atemzug näherte sich Jessica dem Augenblick, in dem sie ihre Niederlage eingestehen und sie beide aus der grausamen Falle einer Ehe befreien mußte, die niemals hätte geschlossen werden dürfen.
Wolfe hoffte nur, daß das bald geschehen würde. Sehr bald. Er wußte nicht, wie lange er noch damit weitermachen konnte, dieses zierliche Elfchen in den Boden zu stampfen. Noch nie zuvor hatte ihn das Leiden eines anderen Menschen so tief getroffen. Er litt mehr als sie unter dem, was er ihr zumutete. Er selbst hatte schon vor langer Zeit seinen eigenen Schmerz zu unterdrücken gelernt. In den Augen vieler Menschen war er weniger wert, weil er eine indianische Mutter hatte. Er hatte sich geschworen, daß niemals jemand merken sollte, wie tief ihn das verletzte.
Der wilde Sohn des Grafen.
Doch es gab keinen Weg vorauszusehen, welche Folgen die Qualen haben würden, die er Jessica zufügte. Alles, was sich mit Gewißheit Vorhersagen ließ, war, daß Jessica dieser Scheinehe zwischen einer
Aristokratin und einem Halbblut erst dann ein Ende bereiten würde, wenn sie die Schmerzen nicht mehr länger ertragen konnte.
Keiner dieser finsteren Gedanken war Wolfe anzumerken, als er sich um die Pferde kümmerte und später ins Haus kam und Jessica schlafend im Gästezimmer vorfand. Im hellen Sonnenschein, der gedämpft durch die Musselinvorhänge fiel, sah sie beinahe ein bißchen unwirklich aus. Im Schlaf hatte sich die grimmige Entschlossenheit wieder gelegt, die so unerwartet unter ihrer zerbrechlichen Erscheinung schlummerte. Nichts deutete darauf hin, was sich unter den zierlichen, feinknochigen Zügen verbarg.
Nachdenklich betrachtete Wolfe Jessicas blasse, schimmernde Haut und die lavendelfarbenen Schatten unter ihren Augen. Als er sie so sah, konnte er kaum glauben, daß sie genug Kraft besaß, alleine aufzustehen oder sich ihm sogar dann noch zu widersetzen, wenn selbst ausgewachsene Männer, die ihr an Stärke weit überlegen waren, längst aufgegeben hätten.
Unwillkürlich drängten sich Wolfe alte Erinnerungen auf... an einen kalten Frühlingstag und einen Fluß, der über die Ufer getreten war. Ein blauäugiges Wolfsjunges, das sich das Rückgrat gebrochen hatte, war ans Ufer angeschwemmt worden. Das Junge hatte Wolfe leise angefaucht und dabei todesverachtend die Zähne gefletscht, die bisher nichts anderes als Muttermilch gekostet hatten. Wolfe hatte dem Jungen erlaubt, seine nadelspitzen Fänge bis auf die Knochen in seine Hand zu graben, denn nur so war er nahe genug herangekommen, um seinen Qualen ein schmerzloses Ende zu bereiten.
Nur mit Mühe gelang es Wolfe, die Erinnerungen und das damit verbundene Gefühl der Beklemmung zu verdrängen. Er hatte nicht vor, Jessica Schaden zuzufügen, und schon gar nicht, sie umzubringen. Die Falle, in der sie gefangen waren, war nicht ganz so unentrinnbar wie das Dickicht, in dem das Wolfsjunge festgesteckt hatte. Ein Wort von ihren bleichen Lippen und sie würde sich öffnen.
Annullierung.
Wolfe riß sich widerwillig von Jessicas Anblick los und sah sich nach einer Stelle um, wo er die Koffer abstellen und die Felldecke ablegen konnte, die er mit hereingebracht hatte. Eine Zimmerecke sah vielversprechend aus, doch bei näherem Hinsehen entdeckte er dort eine Kinderwiege. Daneben waren noch mehr winzige Möbel aufgestapelt, die auf die kommenden Generationen von Blacks warteten.
Die Vorstellung, daß er einmal auf die Geburt seines eigenen Kindes warten könnte, traf Wolfe wie ein Blitzschlag und hinterließ nichts als Finsternis. Er stellte die Koffer ab und drehte sich um. Doch seine Schritte führten ihn am Bett vorbei. Mit einem seltsamen Gefühl der Unruhe blieb er stehen.
Jessica wälzte sich herum und zitterte; ein Hauch von Winter schwebte immer noch ums Haus. Doch obwohl ihr kalt war, wachte sie nicht auf. Statt dessen kauerte sie sich zusammen, als wenn sie selbst im Schlaf noch begriff, daß sie ihre Körperwärme eifersüchtig hüten mußte, weil niemand sonst sie gewärmt hätte.
Jessi... verdammt noch mal, was machst du bloß mit uns beiden? Laß mich gehen, bevor ich noch etwas tue, was wir beide bis ans Ende unseres Lebens bereuen werden.
Die weiche Felldecke legte sich wie ein Hauch um Jessicas Schultern. Wolfe zog ihr die Decke bis ans Kinn, starrte einen Moment lang auf ihr wundervolles Haar, das sich auf dem glänzenden Fell ausbreitete, und verließ dann schweigend mit drei großen Schritten das
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