Im Strudel der Gefuehle
Jessica betraf, war Wolfe ganz allein verantwortlich. Rafe verstand einfach nicht, was in Wolfe vorging, aber er war sich ziemlich sicher, daß Wolfe nicht von Natur aus ein grausamer Mensch war.
Auch Willow wußte das. Nachdem sie Wolfe einen verständnislosen Blick zugeworfen hatte, ergriff sie Jessicas Hand.
»Kommen Sie.«
»Zuerst muß ich mich um mein Pferd kümmern«, sagte Jessica.
»Wolfe kann das erledigen.«
»Die Frauen hier draußen im Westen kümmern sich selbst um ihre Pferde. Sie satteln und striegeln sie, legen ihnen das Zaumzeug an, machen ihnen die Hufe sauber, reiben sie trocken, und überhaupt...«
»Geh ins Haus«, fuhr ihr Wolfe dazwischen. »Ich kümmere mich schon um dein Pferd.«
»Das will ich auch hoffen«, sagte Willow kühl. »Jessi ist genausoweit geritten wie du, und dabei besitzt sie nicht mal ein Drittel deiner Reserven. Und dann dieser lächerliche Damensattel. Ich möchte mal sehen, wie munter du bist, nachdem du auf dem Ding gesessen hast. Wirklich, Wolfe, was ist denn bloß in dich gefahren?«
Kurz bevor er sich umdrehte und die Pferde zur Scheune führte, bemerkte Jessica einen dunkelroten Fleck auf Wolfes Wangenknochen. Aber bevor sie sich darüber den Kopfzerbrechen konnte, nahm Willow sie bei der Hand und lenkte sie ab.
»Ich habe nie ganz herausbekommen, wie man eine wirklich gute Tasse Tee macht«, gestand sie Jessica und führte sie auf die Veranda. »Das werden Sie mir erklären müssen.«
»Eine Traumfrau, die keinen Tee kochen kann.« Jessica blinzelte verwirrt. »Unglaublich. Unvorstellbar.« Sie lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich gar nicht so schlecht.«
»Wer hat behauptet, ich sei eine Traumfrau?« »Das war ich«, gab Jessica zu. »Nachdem Wolfe mich dazu mehr als einmal ermutigt hat.«
»Aber warum denn bloß, um alles in der Welt?«
»Sie sind eben eine, besonders im Vergleich zu mir.«
Willow schnaubte verächtlich. »Sie haben eine sehr lange Reise hinter sich. Das muß Ihnen auf den Verstand geschlagen sein. Genau das gleiche mit Wolfe. So reizbar habe ich ihn noch nie erlebt.«
»Vielleicht kann eine Tasse Tee daran etwas ändern«, schlug Jessica vor. Sie seufzte, ohne es zu merken.
Willow murmelte etwas, das sich anhörte wie: »Ein Tritt in den Hintern könnte vielleicht auch nicht schaden.«
»Eine Traumfrau darf so etwas nicht einmal denken.«
Willows trockener Humor leuchtete in ihren haselnußbraunen Augen auf. »Kann sein. Kann aber auch sein, daß sich eine Traumfrau nicht dabei erwischen läßt, wenn sie solche Gedanken hat.«
Die Unterhaltung der beiden Frauen verstummte, als sich die Vordertür öffnete und wieder schloß. Die Männer hatten von dem letzten Teil des Gesprächs kein Wort gehört, aber es war nicht weiter schwierig zu erraten, worum es sich drehte — um Wolfes Manieren.
Oder darum, daß er keine hatte.
Nach einem Moment der Stille hörte Rafe, wie Wolfe beim Absatteln der Pferde einen tiefen Seufzer ausstieß. Rafe mußte schmunzeln.
»Nun, es sieht nicht gerade so aus, als hätte Willy ihre Zunge ein wenig besser im Zaum, seit sie verheiratet ist«, sagte Rafe mit einem schiefen Grinsen, während er die Sattelgurte lockerte. »Sie kann immer noch ganz gut austeilen, wenn ihr danach ist. Das einzige, was sie noch besser kann, ist Brötchen backen.«
Wolfe brummte nur einmal kurz.
»Natürlich«, sagte Rafe und nahm seinem Pferd mit einer Hand den Sattel ab, »trifft einen eine spitze Bemerkung um so mehr, wenn man weiß, daß man sie verdient hat.«
Wolfe wirbelte herum und wollte Rafe anfahren, aber der hatte ihm bereits den Rücken zugekehrt. Mit dem Sattel über der einen und den Satteltaschen und Decken über der anderen Schulter verschwand er durch das Stalltor.
Erneut stöhnte Wolfe unterdrückt auf und versuchte mühsam, seine Beherrschung wiederzugewinnen. Als er Jessica zur Ranch mitgenommen hatte, war seine einzige Absicht gewesen, ihr zu beweisen, daß sie für das Leben einer Frau hier im Westen vollkommen ungeeignet war. Was er sich nicht zu beweisen brauchte, war seine eigene Härte ihr gegenüber. Er wußte selbst ganz genau, wozu er fähig war.
Gleichzeitig wußte er jedoch auch, daß sein Plan, Jessica zur Annullierung der Ehe zu zwingen, langsam, aber sicher aufging. Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute war sie ein kleines bißchen weniger überzeugt davon, daß sie sich gegen Wolfe durchsetzen konnte.
Ich werde niemals etwas anderes wollen, als deine
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