Im Sturm der Herzen
und küsste sie so heftig, dass ihr beinahe die Knie nachgaben. Als er kehrtmachte und den Raum verließ, sackte Allie zurück aufs Bett.
Es bedurfte ein paar langer Minuten, bis ihr Herzschlag sich beruhigte, und einiger Stunden, bis sie geduscht war und ihre inzwischen wieder sauberen Sachen anhatte, die Khaki-Shorts und das orangefarbene Tank-Top; fertig, nach unten zu gehen. Sie wünschte, sie hätte einen Büstenhalter gehabt oder die Windjacke anziehen können, doch es war heiß draußen, und die Rolle der Söldnerbraut gestattete keine Schamgefühle.
Also nahm sie das Frühstück zu sich, das auf dem Tablett stand - die mit Schokolade gefüllten Tortillas, die Mango-und Bananenscheiben, den starken schwarzen Kaffee - und machte sich auf den Weg nach unten. Sie hoffte, nicht Rico in die Arme zu laufen und hatte Glück: Er war nirgendwo zu sehen. Keiner hielt sie auf, als sie das Haus verließ und zum Lagerplatz der Soldaten marschierte, zu den Zelten, die unter Tarnnetzen versteckt waren und die sich bis zum Rand des Urwalds über die überwucherten Felder erstreckten.
Männer in Rebellenuniform liefen durch die Gegend oder beugten sich über die Feuerstellen, auf denen das Essen kochte. Am Rand des Feldes waren ein paar Männer mit Schießübungen befasst, und sie fragte sich, wie eine kleine private Armee es sich leisten konnte, Munition zu verschwenden.
»Hola, Senorita!« Allie drehte sich um, als sie den kleinen Jungen rufen hörte. »Ich bin Miguel«, sagte er fröhlich und in erstaunlich gutem Englisch. »Sie sind die Frau vom Major, oder?«
Sie lachte. »Ja, ich bin die Frau vom Major.« Komisch, aber ihr wurde jetzt erst klar, dass dem so war. Die ganze Zeit über hatte sie sich eingeredet, eine Rolle zu spielen. Aber Tatsache war, sie gehörte zu Jake Dawson, ob ihm das nun gefiel oder nicht.
»Sie sind sehr hübsch«, sagte der Junge.
»Danke.« Miguel war bestimmt nicht älter als sechs Jahre, so dünn, dass er fast schon abgemagert wirkte, und schmutzbedeckt. Er trug eine zerschlissene Hose, die ihm eine Handbreit zu kurz war und auf knochigen Hüften hing, keine Schuhe und kein Hemd. Das struppige schwarze Haar sah aus, als hätte es jemand mit der Machete abgehackt, und unter der schokoladenbraunen Haut standen die Rippen vor.
Hinter einem seiner Ohren steckte widersinnigerweise eine kleine weiße Orchidee.
»Der Major ist mit dem Hubschrauber weg«, sagte er. »Ich hab gesehen, wie sie heute früh abgeflogen sind.«
»Er holt die Ladung aus dem Flugzeug, das über dem Dschungel abgestürzt ist.«
»St. Zweimal ist er schon wieder da gewesen.«
»Er muss noch ein paarmal fliegen, denke ich.«
Miguel schaute sie mit großen Samtaugen an. »Wollen Sie meinen Hund sehen?«, fragte er mit dem kindlichen Hang zum Themawechsel.
»Ich liebe Hunde. Ja, ich würde ihn sehr gerne sehen.«
Miguel nahm sie bei der Hand. »Kommen Sie, Poco ist im Schuppen. Seine Mama und seine Brüder sind auch da.«
Allie folgte dem Kind in eine alte Holzbaracke, in der es heiß und stickig war und in der sich bis hoch hinauf Strohballen stapelten. Zwischen zerborstenen Brettern fiel Sonnenlicht herein, und in einer Ecke entdeckte Allie eine schwarzweiße Promenadenmischung. Die Hündin schniefte mit hängender Zunge, während sechs schwarzweiß gefleckte Welpen an ihren Zitzen saugten.
»Da ist Poco. Er ist der Kleinste. Deshalb hab ich ihn mir ausgesucht. Es ist schwer, wenn man der Kleinste ist.«
Allie drückte seine Hand und malte sich aus, wie schwer es für einen kleinen Jungen wie ihn sein musste, hier draußen am Rande des Dschungels zu überleben. Sie fragte sich, wo seine Eltern sein mochten und ob sein Vater vielleicht einer der Soldaten aus dem Camp war.
»Wo hast du so gut Englisch gelernt?«, fragte sie.
Er straffte die dünne Brust. »Mein Vater war ein Zapatista, ein ganz wichtiger Mann. Er und meine Mutter haben mir Englisch beigebracht.«
Zapatistas, das hatte sie von Rico gehört, waren Maya, die gegen die Diskriminierung von Seiten der Regierung protestierten. Anscheinend waren General Valisimos Vorfahren zumindest teilweise Maya.
»Und wo sind deine Eltern jetzt?«
Miguel starrte auf seine dreckigen Füße hinab und schüttelte einfach nur den Kopf. Als er wieder aufsah, war sein Blick so trüb, dass Allie ihn nicht weiter drängte. Er war doch wohl kaum allein hier draußen? Doch er sah so gar nicht wie das gut umsorgte Kind liebender Eltern aus, und Allie fragte sich wieder, was
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