Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
über die Augen und ließ seinen Blick angestrengt von links nach rechts gleiten, doch vergeblich. Die Sao Gabriel schien sich in Luft aufgelöst zu haben.
Dafür ballten sich am Himmel schwarze Wolken zu einem düsteren Gebirge zusammen. Wind kam auf, fuhr knatternd in die Segel.
»Ein Sturm zieht auf!«, schrie der Matrose im Ausguck.
Der zahnlose Alte trat zu Dom Pedro. Er wies auf die Wolkenberge und sagte: »Sollten wir nicht die Segel raffen? Der Sturm könnte sie zerreißen. Auch die Gegenstände an Deck sollten wir vertäuen. Was da auf uns zukommt, ist mehr als ein Sommergewitter.«
Dom Pedro maß den Alten mit verächtlichem Blick. »Seid Ihr ein Mann oder ein Waschweib?«, fragte er höhnisch. »Der Sturm wird uns helfen, da Gama einzuholen. Narren wären wir, würden wie die Segel einholen.«
»Wir werden alle ersaufen, wenn wir es nicht tun«, erwiderte der Alte, der sich nicht durch Dom Pedros Worte und die drohenden Gesten einschüchtern ließ. »Lasst wenigstens das Focksegel reffen, so dass wir vor dem Sturm hersegeln können.«
Andere Matrosen, die meisten von ihnen erfahrene Seemänner, waren hinzugekommen. »Der Alte hat Recht. Mit gerefftem Focksegel können wir es schaffen«, meinte einer, der früher zur Crew Vasco da Gamas gehört hatte und auch schon mit Bartholomeo Diaz gefahren war.
»Macht, was ihr wollt«, knurrte Dom Pedro. »Wenn da Gama wegen Eurer Feigheit noch mehr an Vorsprung gewinnt, so gnade euch Gott.«
Er maß die Männer noch einmal mit einem verächtlichen Blick, dann stapfte er davon.
Der Himmel hatte sich unterdessen noch mehr verdunkelt. Schwere, schwarze Wolken versperrten die Sicht auf das Blau und kamen drohend näher. Auch der Wind war stärker geworden. Am Horizont zuckten die ersten schwefelgelben Lichtblitze auf. Ein Donner rollte über das Meer, so gewaltig wie ein Faustschlag Gottes.
»Los, an die Segel«, schrie Nino, der sich inzwischen als Stellvertreter Dom Pedros fühlte und die Anweisungen des 1. Offiziers geflissentlich ignorierte.
Der zahnlose Alte tat, als hätte er nichts davon gehört. Er mochte diese jungen Männer nicht, die den Kapitän heimlich verachteten, ihm aber bei jeder Gelegenheit schön taten, und begann damit, herumliegende Gegenstände an die Mäste zu binden.
Das Meer war inzwischen völlig aufgewühlt. Gerade noch hatte es ruhig und schwer wie eine träge Geliebte dagelegen. Doch jetzt war es ganz wild und aufgeschäumt. Wellen hatten sich gebildet, schlugen gegen die Bordwände und brachten die Sao Manuel zum Schwanken. Die Wellen trugen weiße Hauben aus Gischt auf ihren Kämmen.
»Schnell, beeilt euch. Der Sturm bricht gleich los«, brüllte Nino, doch der Wind war inzwischen so kräftig geworden, dass niemand seine Worte mehr hören konnte.
Von einem Augenblick auf den anderen brüllte auch die See. Die Wellen warfen sich wütend gegen das Schiff, als wollten sie es umwerfen, aber noch fehlte es ihnen an Kraft dafür. Die Männer an Deck arbeiteten fieberhaft. Sie refften das Focksegel. Zu sechst hingen sie an den Tauen und versuchten, ihre Körperkraft gegen die Kräfte der Natur zu stellen. Schweißnass waren sie, ihre Muskeln bis zum äußersten gespannt. Der Wind heulte ihnen in den Ohren. Immer dunkler wurde es ringsum, obwohl es erst Nachmittag war.
Wieder zuckte ein Blitz über den Himmel, gefolgt von einem Donner, der die Männer zusammenzucken ließ.
»Los, alle Mann an die Segel. Wir schaffen es nicht allein«, brüllte Nino. Die anderen kamen hinzu, doch der Wind hatte sich inzwischen zu einem Sturm ausgewachsen, der die Männer bekämpfte – und siegte. Das Segel riss mit einem lauten Knattern in mehrere Bahnen, der Wind fuhr in die Fetzen, riss an ihnen und trieb Stoffteile wie Spielzeuge über das tobende Meer. Höher und höher schlugen die Wellen gegen die Bordwand. Schon erreichten die ersten Spritzer das Deck, machten es glitschig, so dass die Männer Mühe hatten, festen Stand zu behalten.
Der Mast knarrte bedrohlich, als die nächste Sturmböe herangaloppierte und die Männer beinahe umriss. Die Wellen schlugen jetzt über Bord. Ein Schwall ergoss sich donnernd über die Planken, durchnässte die Männer bis auf die Haut. Einzelne Gegenstände, die nicht angebunden waren, wurden über Bord gespült.
In den Seemännern erwachte die Angst. Einige schlugen das Kreuz, andere murmelten leise Gebete. Nur Arabinda, der Mann aus Assam in Indien, hielt unbeirrt die Stellung. Schwer, beinahe unmöglich
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