Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
wusste, was oben geschah. Am frühen Nachmittag verriet ihr das dumpfe Rasseln der Ankerketten, dass das Schiff festmachte. Die leisen Wellen, die gegen den Bug schlugen, erzählten davon, dass der Ankerplatz nicht direkt im Hafen am Kai, sondern draußen auf offener See gesucht worden war. Und als wenig später das Beiboot mit viel Geschrei zu Wasser gelassen wurde, war sie sich ganz sicher, dass die Sao Manuel den Hafen von Mombasa erreicht hatte. Wo war Vasco? War er vor ihnen angekommen? Ankerte die Sao Gabriel im Hafen? Was würde geschehen? Die Unruhe, die sie befiel, ließ sich kaum bändigen.
Auch Suleika schien besorgt, doch gleichzeitig strahlte sie eine innere Ruhe und Gelassenheit aus, die auf Charlottas flatternde Seele wie Balsam wirkte.
»Nun können wir nichts tun als abzuwarten«, sagte die Prinzessin von Kalikut und sah Charlotta offen an. Doch als Suleika auf Charlottas Frage nach Arabinda, den sie seit dem Abendessen nicht mehr gesehen hatte, nur die Schultern zuckte und leicht den Kopf schüttelte, glaubte Charlotta der Freundin nicht. Suleika wusste bestimmt, wo ihr treuer Diener war.
Der Mond schickte seine silbernen Strahlen über das glitzernde Meer, als Arabinda das Deck betrat. Er legte eine Hand über die Augen und schätzte mit geübtem Blick die Entfernung der Sao Manuel zur Sao Gabriel, die fest vertäut am Kai lag. Die beiden Schiffe lagen näher zusammen, als er befürchtet hatte. Nur knapp 200 Meter würde er schwimmen müssen.
Vorsichtig sah er sich um. Die Hälfte der Mannschaft war auf Landgang. Nur der Rudergänger drehte seine Runden auf dem Deck und verkündete dabei die Zeit. Dom Pedro aber saß mit Alonso Madrigal in der Kapitänskajüte und obgleich Arabinda zu gern gewusst hätte, was die beiden dort unten ausheckten, fehlte es ihm doch an Zeit, sich damit zu beschäftigen.
Er war ganz allein auf dem Deck, der Rudergänger gerade auf der anderen Seite der Karavelle. Schnell und ohne das geringste Geräusch zu verursachen, zog er seinen Sari, das lange Überkleid aus, und versteckte es zwischen dicken Taurollen. Dann glitt er, nur mit einem Beinkleid bekleidet und geschmeidig wie eine Katze über die Reling, ließ sich an einem Tau die Bordwand herab und tauchte geräuschlos ins Wasser. Mit kräftigen Zügen entfernte er sich von der Sao Manuel, nur vom Mondlicht begleitet, und hatte schon bald die Sao Gabriel erreicht. Er fand eine Strickleiter, die an der äußeren Bordwand hing, erklomm sie, schwang sich über die Reling und ging sogleich leisen Schrittes und ohne, dass irgendjemand ihn bemerkte, zur Kapitänskajüte.
Dort angekommen, legte er sein Ohr an die Tür und versuchte, die Geräusche drinnen zu orten. Er hörte das Kratzen einer Feder über Papier, das Scharren eines Fußes, einen Seufzer.
Erst als er sich ganz sicher war, dass Vasco da Gama allein war, klopfte er kurz an und betrat beinahe im selben Moment die Kabine.
»Arabinda!«
In Vascos Ausruf mischten sich Freude und Erstaunen. Da Gama hatte natürlich den Ankervorgang der Sao Manuel beobachtet und auf ein Zusammentreffen mit dem indischen Freund gewartet, doch ebenso gut wusste er von Dom Pedros Hinterhältigkeit und Bosheit, so dass er jederzeit mit allem rechnete.
Doch jetzt stand er auf, umarmte den Freund, ungeachtet dessen Nässe. Dann reichte er ihm ein Handtuch und eine Decke, die Arabinda sich um die Schultern legte, und schloss die Tür seiner Kabine ab.
»Hat dich jemand gesehen?«
Arabinda schüttelte den Kopf und lächelte fein. »Man sieht mich nur, wenn ich gesehen werden will«, erwiderte er.
Vasco da Gama lächelte und reichte dem Inder einen Becher Wein.
»Erzähl«, forderte er ihn auf. »Wie geht es Suleika? Was plant Dom Pedro?«
Arabinda trank, dann wich die Freude des Wiedersehens aus seinem Gesicht. »Er will dich vernichten, mein Freund. Doch Genaues weiß ich nicht. Er sitzt in diesem Augenblick auf der Sao Manuel und schmiedet Pläne mit seinem Berater. Ich habe nur einen Teil des Gespräches belauschen können. Suleika und mich aber will er bei erstbester Gelegenheit als Sklaven verkaufen.«
»Was?«
Vasco da Gama fuhr hoch. »Das kann er nicht tun! Weiß er nicht, wer ihr seid?«
»Natürlich weiß er es. Und gerade deshalb glaubt er wahrscheinlich, mit uns einen besonders guten Preis erzielen zu können.«
Vasco schüttelte ungläubig den Kopf, doch Arabinda sprach schon weiter. »Die Mannschaft besteht aus ungefähr 60 Männern. Doch Dom Pedro ist ein
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