Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Erklärung dafür fand, fühlte sie sich plötzlich von den dunklen Wolken der Schwermut umhüllt. Als ob der Engel des Todes sich dem Schiff genähert hätte und nun als schwarzer Schatten in den Segeln hockte und die Seelen derer verdüsterte, die feinfühlig genug waren, seine Gegenwart zu spüren.
Allein in ihrer Kabine betrachtete sie die Linien in ihrer Hand und erinnerte sich an die Worte Mama Immaculadas. Nein, beruhigte sie sich, die Zeit des Sterbens ist noch nicht gekommen. Noch immer ist meine Lebenslinie lang und stark. In meiner Hand hat sich nichts verändert. Mein Schicksal hat noch viel mit mir vor.
Beruhigt schlief sie ein, doch am nächsten Morgen wurde sie vor der Zeit geweckt, denn plötzlich geriet das Schiff in Bewegung. Charlotta schreckte hoch, hörte zahlreiche schnelle Schritte und laute Rufe. Hastig zog sie sich an, um zu sehen, was los war und um das Frühstück für die Männer vorzubereiten.
Sie eilte an Deck und fasste den alten zahnlosen Matrosen am Arm. »Was ist los?«
Der Alte zeigte nach vorn und Charlotta brauchte einen Augenblick, um im dichten Morgennebel, der wie ein sanfter Schleier über dem Meer lang, etwas zu erkennen.
»Eine Karavelle?«, fragte sie.
Der Alte nickte.
»Es ist die Sao Gabriel«, verriet er. »Sie nimmt Kurs auf den Hafen von Mombasa. Heute Mittag schon wird sie ihn erreicht haben.«
»Dann sind wir also in Landnähe?«, fragte Charlotta weiter.
Der Alte zeigte zum Himmel, unter dem kreischende Möwen hin und her flogen. »Seht die Vögel«, sagte er.
Charlotta dankte ihm und ging, um ihrer Arbeit nachzugehen.
Doch ihre Gedanken drehten sich nur um ein einziges Thema: Vasco da Gama.
Im Hafen von Mombasa würden die beiden Karavellen aufeinander treffen. Und Gott allein wusste, wie dieses Treffen ausgehen würde.
Dass der alte Mann mit seinen Angaben Recht gehabt hatte, bestätigte Dom Pedro wenig später. Er kam in die Kombüse zu Charlotta gestapft. Sein rotes Gesicht und der leichte Schweißfilm auf seiner Stirn verrieten, dass er erregt war.
»Du bleibst heute unter Deck. Gleichgültig, was passiert, ich will dich oben nicht sehen.«
»Wer holt mir frisches Wasser? Wer kippt die Abfälle vom Essen über Bord? Sollen die Reste etwa in der Kombüse verschimmeln und für Gestank sorgen?«, fragte sie mit der gewohnten Widerspenstigkeit und strich sich eine lange Haarsträhne aus der Stirn. »Wollt Ihr etwa den Abfalleimer holen?«
»Nino wird das erledigen«, erwiderte Dom Pedro und betrachtete versonnen die wilde rote Mähne, die bei jeder Bewegung Charlottas verheißungsvoll knisterte. Für einen Augenblick dachte er an Ninos konfuse Erzählungen aus der Nacht mit Charlotta, die er nur zu gern als Seemannsgarn abgetan hätte. Von wundervollen Küssen hatte Nino mit glänzenden Augen berichtet, von einem Leib, der biegsam war wie der einer Schlange, von zarter, samtener Haut und unstillbarer Leidenschaft. Dom Pedro hatte an sich halten müssen, um Nino nicht das Glück aus dem Gesicht zu schlagen. Eifersucht tobte durch seinen Körper und Wut auf Charlotta, die es fertigbrachte, einen einfachen Matrosen, ein Nichts, in wilde Ekstase zu versetzen, während sie ihn, ihren vor Gott angetrauten Ehemann stets mit einem einzigen Blick, mit nur einem Wort das Feuer in den Lenden zu löschen suchte.
Er würde sich später darum kümmern, hatte er beschlossen, und Charlotta argwöhnisch beobachtet. Doch ihr Verhalten ihm gegenüber war ein wenig freundlicher geworden, so dass Dom Pedro glaubte, dass Charlotta in ihm den wilden Hengst sah, der er nur zu gern wäre. Er durfte sich nicht verraten. Allein darum ging es. Um seine Mannesehre und um seinen Stolz. Alles andere hatte Zeit.
»Du bleibst unten!«, bestimmte er und überlegte, ob er sie küssen solle. So rot und lockend wie eine reife Kirsche war ihr Mund. Aber Charlotta hatte sich schon über den Zuber gebeugt und damit begonnen, das schmutzige Geschirr zu spülen. Er sah, dass ihre Hände gerötet und rissig waren und räusperte sich. »Nimm dir ein wenig von dem Öl«, bestimmte er. »und reibe es über Nacht in deine Hände.«
Charlotta erschrak. Noch nie war Dom Pedro so freundlich zu ihr gewesen. Sie sah ihn überrascht an, doch der Kapitän hatte sich schon umgewandt und war mit schweren Schritten von dannen gestapft.
Sie brachte es tatsächlich fertig, den ganzen Tag unter Deck zu bleiben, doch die Geräusche auf dem Schiff waren ihr mittlerweile so vertraut, dass sie auch so
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