Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
noch, dann würde er in gnädige Umnachtung versinken.
Doch plötzlich lösten sich die Hände von seiner Kehle. Jemand schlug ihm ins Gesicht, er röchelte und kam langsam wieder zu sich.
Er spürte Suleikas Hände auf seinem Gesicht, spürte, wie sie seinen Kopf anhob und ihre Tränen auf sein Gesicht tropften.
»Was ... was ist passiert?«, fragte er, noch immer benommen.
»Es ist alles gut«, flüsterte die Prinzessin von Kalikut. »Alles wird gut.«
Ihre sanfte Stimme und die Berührung ihrer warmen Hände beruhigten den Kranken, so dass er allmählich zurück in einen unruhigen Schlaf sank.
Als die Dämmerung wie ein grauer Geist in das Verlies drang und das erste Morgenlicht schemenhaft über die feuchten Wände glitt, durchbrach Suleika das Schweigen. Sie stand auf, ging zu Arabinda, der in einer Ecke des Kerkers lag, und vergewisserte sich, dass der Diener wach war. »Wenn du noch einmal Hand an Vasco da Gama legst, dann werde ich mich vor deinen Augen umbringen«, sagte sie. »Hast du mich verstanden?«
»Er muss sterben«, erwiderte der Diener. In seinen Augen glomm der Hass wie ein Scheit aus dem Höllenfeuer. »Er muss sterben, damit Ihr, Herrin, leben könnt.«
»Wenn du ihn tötest, tötest du mich. Ich werde ihn keinen Augenblick überleben, werde ihm sofort in den Tod folgen und niemand kann mich daran hindern. Dies schwöre ich beim Leben des Zamorin von Kalikut.«
Arabinda richtete sich auf. Er fasste nach der Hand seiner Herrin und las in ihren Augen, dass sie es ernst meinte: »Gut, Herrin, ich werde ihn lassen. Nichts ist mir teurer als Euer Leben. Ich werde es nicht in Gefahr bringen, auch, wenn ich dafür da Gama erdulden muss.«
Suleika nickte. »Du bist ein guter Diener, Arabinda. Seit meiner Kindheit sind wir zusammen und ich liebe dich wie einen Bruder.«
»Das reicht mir nicht, Herrin.«
»Ich weiß, doch du wirst daran nichts ändern können. Deine Liebe zu mir ist groß. Deshalb lege ich mein Leben in deine Hand.«
»Ich werde es schützen, Herrin. Wenn es sein muss, mit meinem Leben.«
»Es ist gut, Arabinda. Wir vergessen den Vorfall der letzten Nacht. Doch vergiss nie, dass jeder Schlag gegen Vasco da Gama ein Schlag gegen mich bedeutet.«
Arabinda war aufgestanden. Groß, schlank und schön stand er vor seiner Herrin. Sie sah den Stolz in seinen Augen, sah die Liebe und das Begehren darin. Unter allen Edlen Kalikuts hatte ihr Vater ihn ausgewählt, um seiner Tochter den besten Schutz zu gewähren. Und Arabinda wusste von Anbeginn, dass sein Begehren niemals Erfüllung finden würde. Doch die Liebe zu Suleika war so groß, dass er alles in Kauf nahm, nur, um in ihrer Nähe zu sein. Er besaß Suleikas Vertrauen, ihre Zuneigung. Und er hatte bei seinem Leben geschworen, ihr zu Diensten zu sein, was immer auch geschah.
Schwere Schritte, die die Treppe ins Verliesgewölbe hinunter kamen, unterbrachen Arabindas Gedanken. Auch Suleika lauschte angestrengt. Für die morgendliche karge Mahlzeit war es noch zu früh. Wer jetzt, zu dieser frühen Stunde, in das Gewölbe kam, hatte etwas Besonderes im Sinn. Die Schritte kamen näher, hatten schon den Gang erreicht, der zu ihrem Kerker führte. Arabinda sprang auf und stellte sich vor Suleika. Was immer auch geschah, er war bereit, ihr Leben mit seinem Körper zu schützen. Da hörten sie das Klappern eines riesigen Schlüsselbundes; näher und näher kamen die Schritte. Als die beiden Fremden endlich den Wärter sahen, der ihnen ihre kargen Mahlzeiten brachte, atmeten sie auf. Ohne einen Gruß suchte der Wärter umständlich den richtigen Schlüssel und öffnete die Tür.
»Los, ihr Gesindel. Haut ab. Raus hier, los, los! Soll ich Euch Beine machen?«
»Was ist passiert? Wovon redet Ihr, guter Mann? Wo wollt Ihr uns hinbringen«, fragte Suleika mit leiser Furcht.
»Nirgends bringe ich Euch hin. Ihr seid frei. Ein Planwagen wartet im Hof. Er wird Euch zum Gut da Gamas bringen. Also los, erhebt Euch, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Schnell, als würde sich das Versprechen der Freiheit sonst in Luft auflösen, nahmen Suleika und Arabinda den völlig geschwächten da Gama in ihre Mitte und schleppten ihn aus der Zelle. Der Wärter hatte Recht gehabt. Im Hof wartete bereits ein Planwagen.
Doch neben dem Wagen saß auch ein Reiter auf einem Pferd. Er reichte Suleika mehrere Decken und zwei verschlossene Kannen. »Da, nehmt!«, sagte er. »In der einen ist Rotwein, in den rohe Eier und Zucker geschlagen sind. Trinkt dies, um
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