Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
zurückkehren. Da war er sich nun ganz sicher. Behutsam tätschelte er die winzige Beule und lehnte sich wie ein Mann, der mit sich und der Welt im Reinen ist, in seinem Sessel zurück.
Charlotta hatte die ersten drei Monate ihrer Ehe wie in einem Gefängnis verbracht. Dom Pedro, wütend über die Geschehnisse in der Hochzeitsnacht, tat alles dafür, ihr das Leben so schwer wie möglich zu machen. Er hatte an die Bediensteten den Befehl erteilt, Charlotta nicht aus den Augen zu lassen. Sie durfte das Gelände des Palazzos nicht ohne seine Einwilligung verlassen. Nur Kirchgänge und der wöchentliche Besuch bei ihrem Vater waren ihr in Dom Pedros Begleitung erlaubt. Längst wusste sie nicht mehr, was in der Stadt geschah. Selbst mit ihrem Vater hatte sie seit Monaten kein Gespräch unter vier Augen führen können. Auch die Dienstboten schwiegen und Charlotta vermutete, dass ihr Mann strikte Anweisungen gegeben hatte, Charlotta jegliche Informationen vorzuenthalten. Doch wenn er glaubte, sie damit zu treffen, hatte er sich getäuscht. Charlotta wartete und tat nichts anderes.
An manchen Tagen war sie voller Zuversicht, an anderen regierten Traurigkeit und Verzweiflung in ihrem Herzen. Wie lange musste sie noch warten, bis sich die Linien in ihrer Hand vereinigten und die Liebe am Ende siegte? Sie wusste es nicht. Obwohl es bereits Oktober war und die Luft merklich kühler wurde, nutzte sie die Abendstunden, um ein wenig im Garten spazieren zu gehen und ihren Gedanken nachzuhängen. Der Garten konnte es zwar längst nicht an Pracht mit dem der Alvarez’ aufnehmen, doch hier draußen gelang es Charlotta wenigstens für einen Augenblick, ihren ganzen Kummer zu vergessen und sich am Duft der Blumen und am Gesang der Vögel zu erfreuen.
Sie setzte sich auf eine hölzerne Bank unter einen Orangenbaum und dachte nach. Dom Pedro war seit dem Vormittag verändert. Seit Monaten hatte er seine üble Laune an ihr und den Dienstboten ausgelassen, doch seit der seltsame Besucher das Haus wieder verlassen hatte, war ihr Mann wie verwandelt. Seine Stimmung war bestens und er bemühte sich sogar um das, was er für Charme hielt. Das hieß, er kniff der Magd beim Servieren des Mittagsmahls in den Hintern, erging sich in schlüpfrigen Anspielungen und Anekdoten und trank mehr als er vertrug. Irgendetwas brütete er aus, da war sich Charlotta ganz sicher. Und genauso sicher war sie, dass Corvilhas Pläne nichts Gutes verhießen. Wenn sie nur wüsste, was er im Schilde führte!
Der Wind, der vom Meer her blies, war kühl und sorgte dafür, dass Charlotta zu frösteln begann. Sie stand auf und lief einige schnelle Schritte, um sich zu wärmen. Dabei geriet sie in die Nähe des hinteren Gartentürchens und sah, dass die Tür nur lose in den Angeln hing. Merkwürdig. Einer der Dienstboten oder Gärtner musste vergessen haben, das Tor zu verschließen. Aufmerksam sah sie sich nach allen Seiten um. Dann nutzte sie die Gelegenheit, um allein und ohne Begleitung einen Ausflug zu machen. Die nahe gelegene Kirche verkündete mit tiefen Glockenschlägen, dass die achte Stunde des Abends herangebrochen war. Charlotta überlegte. Dom Pedro hatte erst vor kurzem das Haus verlassen. Er hatte einen seiner besten Wämser getragen und sein Pferd genommen. Das hieß, dass er einen etwas entfernteren Ausflug plante. Es würde sicher noch eine ganze Weile dauern, ehe er zurückkam. Charlotta packte die Gelegenheit beim Schopfe. Schnell und ohne sich lange umzusehen, lief sie durch die abendlichen Straßen, in denen das Lissabonner Leben, von dem sie so lange schon fern gehalten wurde, statt fand.
Aus den geöffneten Tavernen drang Stimmengewirr und Gesang. Zwei Leprakranke standen ihr im Weg. Sie waren in lange, schwarze Umhänge gehüllt und machten mit einer an einem Stab befestigten Glocke auf ihr Elend aufmerksam. Charlotta bedauerte, den Unglücklichen nicht helfen zu können, doch Dom Pedro hatte ihr jegliches Geld abgenommen.
»Du bekommst alles von mir, was du brauchst«, hatte er gesagt und sie böse und mit kaltem Blick gemustert. »Aber da du dir ja keine Mühe gibst, deinem Mann zu Gefallen zu sein, kann ich das Geld für Kleider und Tand ruhig sparen. Ich bin jedoch auch ein großzügiger Mann. Tust du mir einen Gefallen, so will auch ich nicht kleinlich sein. Dabei leckte er sich mit der Zunge über seine feuchten Lippen, und Charlotta wandte angewidert das Gesicht ab.
Sie verspürte keinerlei Lust, nach Dom Pedros »Gefallen« zu
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