Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
hinter ihrer Frage etwas ganz anderes als Interesse am neuesten Tratsch verbarg. »Du hast ihn noch immer nicht vergessen, nicht wahr?«, fragte er.
Charlotta zuckte mit den Achseln: »Wie könnte ich, Vater!«
Dom Ernesto seufzte. Er hatte Charlottas Liebe zu Vasco da Gama unterschätzt. Für Verliebtheit, für jugendlichen Übermut hatte er diese Verbindung gehalten. Und wie sehr hatte er sich getäuscht!
Zu spät hatte er erkannt, dass eine Liebe wie diese nur wenigen Menschen vergönnt war. Sie war die Essenz des Lebens und durch nichts zu zerstören. Mit Vasco hatte Charlotta den Sinn ihres Lebens verloren. Erst und nur mit ihm würde sie glücklich werden. Die beiden brauchten einander, ergänzten sich auf das Beste und ein jeder von ihnen war nur in dieser Beziehung in der Lage, seine Talente, Begabungen, Träume, Wünsche und Sehnsüchte zu vollem Leben erwecken zu lassen. Warum hatte er das nicht früher erkannt? Alles würde er nun dafür geben, seinen Fehler wieder gutzumachen. Und seine Tochter musste nun dafür bezahlen.
Niemals hätte er sich von Corvilhas erpressen lassen dürfen, niemals zustimmen, dass er Charlotta heiratet. Aber vielleicht war es noch nicht zu spät?
»Vasco da Gama hat sich von seiner Krankheit gut erholt«, berichtete Dom Ernesto, was er von Jorges, den er immer wieder einmal auf die Güter der da Gamas schickte, in Erfahrung gebracht hatte.
»Suleika hat ihn gepflegt. Doch kaum war er gesund, so hat er auch schon damit begonnen, sich neue Ziele zu stecken. Er baut ein Schiff, Charlotta! Mit eigenen Mitteln will er die Expedition durchführen, die er dem König vorgeschlagen hat. Er will Portugal verlassen und auf neue Reisen gehen. Schon in wenigen Monaten wird seine kleine Flotte fertig sein, um in See zu stechen.«
Die Nachricht schnitt Charlottas tief ins Herz. Wollte er sie schon wieder verlassen? Logen die Linien in ihrer Hand? Hatte Mama Immaculada sich getäuscht? Sie schluckte schwer.
»Weiß Dom Pedro davon? Könnte er versuchen, diese Reise zu verhindern?«
Dom Ernesto schüttelte den Kopf. »Warum sollte er? Ihm ist ganz sicher eher daran gelegen, dass Vasco da Gama verschwindet.«
»Was plant er dann?«
»Ich werde mich umhören, werde Augen und Ohren offen halten, mein Kind«, versprach er. Dann nahm er erneut Charlottas Hände in seine und strich zärtlich darüber.
»Du bist unglücklich. Und es heißt, dass du noch immer kein Kind unter deinem Herzen trägst.«
»Ich habe dafür gesorgt, dass Dom Pedro mein Bett meidet«, erklärte Charlotta gleichmütig. »So lange die Ehe nicht vollzogen ist, kann sie nach Ablauf eines Jahres aufgelöst werden. Nur etwas mehr als acht Monate muss ich noch ausharren, dann bin ich frei.«
Dom Alvarez nickte. Er hatte gewusst, dass seine stolze, widerspenstige Tochter sich nicht ohne weiteres in eine Ehe mit Corvilhas fügen würde.
Doch sie hatte noch etwas auf dem Herzen. »Die Prinzessin von Kalikut hat da Gama gepflegt. Sie lebt in seinem Haus. Hat er sich ihr zugewandt?«
»Darüber ist nichts bekannt«, erwiderte Dom Ernesto. »Doch ich bin sicher, wenn Vasco da Gama dich genauso liebt wie du ihn, dann kann dir Suleika nicht gefährlich werden. Du musst Vertrauen haben, Charlotta. Vertrauen und Geduld.«
Vom nahen Kirchturm waren zehn Glockenschläge zu hören. Die Stadtwachen hatten bereits mit ihren Rundgängen begonnen. Bis in die Halle tönte ihr immer wiederkehrender Ruf: »Ihr lieben Leute, lasst Euch sagen, die Stunde zehn hat uns geschlagen. Geht nun zu Bett und haltet still, so wie Gott, der Herr, es will.«
»Du musst gehen, Charlotta«, mahnte Dom Ernesto und Charlotta nickte traurig. Was gäbe sie darum, hierbleiben zu dürfen, in ihrem alten Bett zu schlafen und bei Tag durch den wundervollen Park wandeln zu können. Doch sie musste zurück in den Palazzo ihres Mannes. Sie stand auf und Ernesto rief nach einem Knecht, der Charlotta begleiten sollte.
Auch am nächsten Morgen hatte Dom Pedro strahlende Laune. Er war erst spät in der Nacht zurückgekommen, und die stolpernden Schritte auf der Treppe hatten Charlotta verraten, dass ihr Mann nicht mehr ganz nüchtern war. Schnell war sie aufgestanden und hatte ihre Zimmertür verriegelt. Mit klopfendem Herzen stand sie dahinter und lauschte atemlos auf die Geräusche im Gang. Doch Corvilhas hatte nicht an der Tür gerüttelt, sondern war nebenan wie ein Stein in sein Bett gefallen und hatte gleich darauf laut zu schnarchen angefangen.
Jetzt saß
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