Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
größeren Tiefgang haben als die Sao Gabriel, mit der Vasco da Gama vor beinahe zweieinhalb Jahren aufgebrochen war. Der vordere und hintere Hauptmast sowie der mächtige Bugspriet waren mit Rahen getakelt und der Hauptmast trug ein mächtiges, dreieckiges Segel. Die Länge betrug insgesamt zweiundzwanzig Meter. Die Schiffswände waren oberhalb der Wasserlinie mit einer zusätzlichen Panzerung verstärkt, das Schiff mit insgesamt achtzehn Kanonen bestückt. Dom Pedro selbst hatte die Aufsicht beim Bau geführt und dafür gesorgt, dass sämtliche notwendigen Gerätschaften für die Seefahrt an Bord genommen worden: Genueser Nadeln zur Bestimmung von Ort und Zeit, Sanduhren, Astrolabyen, Pergament und Kartenmaterial, Tinte und Löschsand, mehrere Logbücher und natürlich der berühmte Behaim-Globus. Das Proviantschiff, ein Segler von fünfzig Tonnen Laderaum, war voll beladen mit Fässern voller Olivenöl, Zwieback, prall gefüllten Weinschläuchen, Zwiebeln, gepökeltem und geräucherten Fleisch, Gries, Hülsenfrüchten, Getreideflocken, Mehl, etlichen lebenden Hühnern, dazu Mais, in Essig und Öl eingelegtes Gemüse und zahlreichen Wasserfässern.
Dazu hatte sich Dom Pedro einen Brief König Manuels I. an den Zamorin von Kalikut ausstellen lassen, der ihn als Vertreter der portugiesischen Krone auswies und mit Vollmachten ausstattete.
Ende Oktober, kurz vor Beginn der wilden und gefürchteten Herbststürme war es soweit: Die Sao Manuel lichtete im Hafen von Rastello ihre Anker und nahm Kurs auf die Kanaren.
An Deck standen nur wenige Leute und winkten den daheim Gebliebenen. Die Mannschaft war vollauf damit beschäftigt, die Sao Manuel auf Fahrt zu bringen.
»Auf Wiedersehen, Vater!«, rief Charlotta, winkte mit einem Tuch und tupfte sich gleich danach damit die Augen. Sie trug ein einfaches Kleid ohne Zierrat und Schmuck, Lederstiefel und hatte das Haar unter einer schlichten Haube verborgen. Um den Hals hatte sie ein Tuch geschlungen, um vor den kühlen Winden geschützt zu sein.
»Gott schütze dich, mein Kind!«, rief Dom Ernesto, und auch er hatte Tränen in den Augen. Tagelang hatte er Charlotta bekniet, auf die Reise zu verzichten und während der Abwesenheit ihres Mannes im Schutz des väterlichen Palazzos zu bleiben. Doch Charlotta hatte abgelehnt. »Ich muss ihn begleiten, versteh doch, Vater«, hatte sie erklärt. »Du selbst hast mir berichtet, dass Vasco eine neue Expedition plant. Nun, es ist anzunehmen, dass er dasselbe vorhat wie Dom Pedro. Unsere Weg werden sich früher oder später kreuzen. Es ist die einzige Möglichkeit, ihm nahe zu sein. Der andere Grund ist nicht weniger wichtig: Geht Dom Pedro auf Reise, so kann ich nach Ablauf unseres ersten Ehejahres nicht auf Auflösung drängen, da wir keine zwölf Monate als Mann und Frau zusammen gelebt haben. Es ist, wie es ist: Wenn ich ihn loswerden will, so muss ich bei ihm bleiben.«
Dom Ernesto wusste, dass Charlotta Recht hatte, doch die Angst um seine Tochter war groß. Und jetzt, als die Schiffe langsam die Mündung des Rio Tejo hinunterfuhren, um den Atlantik zu erreichen, war ihm, als sähe er seine Tochterzum allerletzten Mal.
Zur Abfahrt der kleinen Flotte unter Führung der Sao Manuel waren bedeutend weniger Schaulustige gekommen als damals beim Auslaufen der Sao Gabriel. Doch Dom Pedro störte das nicht.
Er stand an Deck, die Beine weit gespreizt, die Hände in die Hüften gestemmt und brüllte der Mannschaft Befehle zu. »Hisst das Segel, ihr Halunken. Na los, wird’s bald. Segel hissen, habe ich gesagt!«
Dann stolzierte er über Deck zur Reling und haute einem Mann auf die Schulter, der sich, kreidebleich im Gesicht und mit Angstschweiß auf der Stirn, an den Tauen festhielt und schon jetzt einen elenden Eindruck machte.
Charlotta hatte ihn sofort wiedererkannt, als sie an Deck kam. Es war derselbe Mann, der vor Wochen in den Palazzo Corvilhas gekommen war und dafür gesorgt hatte, dass Dom Pedros Laune sich um ein Vielfaches verbessert hatte und sein schlummernder Entdeckergeist neu entfacht wurde.
Noch immer wusste sie nicht, wer dieser Mann war, der so elend in der Reling hing. Scheinbar absichtslos schlenderte sie heran und stand nun bei den beiden Männern. Sie musste sich anstrengen, um beim Rauschen des Meeres, dem Heulen des Windes und den vielfachen Lauten, die die Arbeit der Männer an Deck mit sich brachte, zu verstehen, was die beiden sprachen.
Sie hörte, wie Corvilhas zu dem Unbekannten sagte: »Stell dich
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