Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Schätze zu gelangen. Doch ich habe mich geweigert. Deshalb ist er so erbost. Deshalb hat er mich in die Küche geschickt. ›Ich werde deinen Stolz brechen‹, hat er gesagt und mir gedroht, dass ich schon bald die Nachttöpfe leeren und spülen muss, wenn ich ihm nicht gehorche.«
Charlotta kicherte, als sie das hörte. »Auch meinen Stolz will er brechen, doch ich habe genug Hoffnung, dass es misslingt. Doch sagt, warum wollt Ihr ihm nicht als Lotsen dienen?«
Die Prinzessin von Kalikut sah Charlotta prüfend an. Doch dann entschied sie, dass sie ihr trauen könne und flüsterte: »Auch Vasco da Gama ist bereits unterwegs. Ich möchte verhindern, dass die Sao Manuel vor da Gama die fremde Küste erreicht. Vasco allein gebühren der Ruhm und der Erfolg.«
»Ihr habt Recht, Suleika. Seid versichert, dass ich in dieser Hinsicht genauso denke wie Ihr. Bedenkt aber auch, was geschehen könnte, wenn wir den Kurs verlieren. Dom Pedro mag dumm sein, aber er ist verschlagen und misstrauisch. Wäret Ihr der Lotse, so könntet Ihr Einfluss auf den Kurs nehmen und das Schiff würde dorthin fahren, wohin Ihr es wollt.«
Suleika schüttelte den Kopf. Stolz und Trotz sprachen aus ihrer Miene. »Niemals«, sagte sie. »Ich kann es nicht zulassen, dass der Kapitän glaubt, ich würde zu Kreuze kriechen, nur weil ich an einem Abend als Küchenmagd dienen musste. Lieber leere ich die Nachttöpfe, als dass ich mich seinen Befehlen füge.«
Charlotta seufzte und nickte: »Ich kann Euch gut verstehen. Auch ich würde lieber jede anfallende, noch so schmutzige Arbeit tun, als mich meinem Manne zu beugen. Wie wäre es, wenn Ihr jedoch Euren Diener an Eurer Stelle zu ihm schicken würdet? Er ist ein Mann. Vielleicht gelingt es ihm sogar, das Vertrauen Dom Pedros zu erringen? Es wäre in jedem Falle ratsam, um rechtzeitig handeln zu können, falls wir der Sao Gabriel unter Kapitän da Gama doch begegnen.«
»Ein kluger Gedanke, Charlotta. Ich werde darüber nachdenken und morgen Arabinda die notwendigen Anweisungen erteilen.«
»Ihr könnt ihm doch vertrauen, oder?«
Suleika zögerte einen winzigen Moment mit der Antwort, dann nickte sie entschlossen. »Er hat geschworen, mir allzeit treu zu dienen. Sein Leben würde er geben, wenn er mich dadurch vor Schaden bewahren könnte.«
»Das ist gut.« Charlotta lächelte. »Auch ich habe einen Freund hier an Bord, der uns notfalls zu Hilfe käme. Doch wir wollen versuchen, so wenig Unruhe wie möglich zu stiften und unsere Kräfte zu schonen. Ich bin sicher, eines Tages werden wir sie brauchen.«
Hinten im Gang war Lärm zu hören. Ein Teil der Männer machte sich auf den Weg in ihre Kojen oder zu ihrem Schlafplatz im Laderaum, die anderen eilten zu ihren nächtlichen Aufgaben.
»Schlaft gut, Doña Charlotta«, flüsterte Suleika.
»Euch auch eine angenehme Nacht«, erwiderte Charlotta.
Die Prinzessin von Kalikut hatte sich bereits zum Gehen gewandt, da griff Charlotta noch einmal nach ihrem Ärmel.
»Vasco. Geht es ihm gut?«, fragte sie.
Die ohnehin dunklen Augen Suleikas wurden noch schwärzer, und Charlotta las Schmerz und Trauer darin.
Sie zuckte vage mit den Achseln und eilte ohne eine Antwort davon.
Kapitel 12
A ls Charlotta am nächsten Morgen in den Mannschaftsraum kam, stand auf ihrem Platz eine kleine Holzschüssel. Sie war ungeschickt geschnitzt, zeigte an den Rändern zahllose Vertiefungen und kippelte bei der geringsten Bewegung auf dem Tisch hin und her, doch für Charlotta war es das schönste Stück Geschirr, von dem sie je gegessen hatte. Sie lächelte, als sie das Schüsselchen sah, hob es behutsam hoch und betrachtete es von allen Seiten. Sie war gerührt. Irgendjemanden musste es in der Mannschaft geben, der ihre Pein beim letzten Abendbrot beobachtet hatte. Sie wusste nicht, wer ihr dieses kleine Geschenk gemacht hatte, doch sie war demjenigen aus ganzem Herzen dankbar. Ihr Blick suchte Jorges, der am anderen Ende des Tisches saß, leise errötete und gleich darauf sehr beschäftigt nach der Schüssel mit der Hafergrütze langte.
Der alte, zahnlose Seemann saß wieder neben ihr, doch diesmal reichte er Charlotta die Grütze und sagte: »Nehmt Euch Euren Teil heraus, Doña. Ihr werdet Hunger haben.«
Charlotta sah hoch und suchte in den Gesichtern der anderen Männer nach Unwillen, doch das einzige, was sie sah, war Freundlichkeit.
»Danke. Ich danke euch allen«, sagte sie, nahm sich ein paar Löffel voll und aß mit gesundem Appetit. Doch kaum war sie
Weitere Kostenlose Bücher