Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
nicht nachgekommen. Ich habe mich schuldig gemacht am Sohn meines alten Freundes. Wüsste ich eine Möglichkeit, Wiedergutmachung zu üben, so nutzte ich sie gewiss. Aber wie? Der Gedanke bedrückte ihn so sehr, dass er seufzen musste.
Er hieß die Magd, erfrischende Getränke zu bringen und bat den ungebetenen Gast in einer bequemen Sitzecke Platz zu nehmen.
Dom Alvarez setzte sich ihm gegenüber und wartete. Die Blicke der beiden Männer kreuzten sich, hielten einander sekundenlang fest, bis sie von der Magd, die mit einem Krug frisch gepresstem Orangensaft kam, unterbrochen wurden.
Abschätzig betrachtete Dom Pedro den Saft. »Habt Ihr einem Gast nichts anderes anzubieten als dieses Weibergesöff?«, fragte er leise, aber mit nicht zu überhörender Häme.
»Ihr hattet Euch nicht angemeldet«, erwiderte Dom Alvarez. Abwartend saß er da, die Arme auf die Stuhllehnen gestützt. Trotz seines Alters war Dom Alvarez von tadellosem Äußeren. Das schmale Gesicht mit der leicht gebogenen Nase, die dunkelbraunen Augen, die unter dem schlohweißen Haar wie poliertes Holz wirkten, die aufrechte Haltung und der direkte klare Blick verrieten schon von weitem den Aristokraten, der sich seines Standes und seiner Würde sehr wohl bewusst war.
Dein Hochmut wird dir schon noch vergehen, dachte Dom Pedro, der unter Dom Ernestos Blicken zusammenschrumpfte und sich seiner Plumpheit, seines ungepflegten Äußeren und seiner schlechten Manieren doppelt bewusst wurde. Schon als Kind hatte er sich neben dem Freund seines Vaters immer wie ein Bauernsohn ausgenommen. Und schon damals war er sich seiner Mängel viel zu sehr bewusst gewesen, um Dom Ernesto wie einen Patenvater lieben zu können.
Ich wette, am Ende unserer kleinen Unterhaltung wirst du es sein, der eine ganze Kanne Wein braucht, dachte er.
Dom Pedro nahm den Saftbecher und stürzte ihn in einem Zug hinunter. Er war zwar durstig, doch diese Geste sollte in erster Linie verhindern, dass Dom Alvarez seinen Ärger spürte. So lange Dom Pedro denken konnte, behandelte ihn Dom Alvarez mit Hochmut. Einem Hochmut, der nach Dom Pedros Ansicht keineswegs angemessen war. Auch er war von adligem Geblüt und Angehöriger der portugiesisch-königlichen Flotte. Ja, sein Vater, der verblichene Dom Jose de Corvilhas zählte sogar einst zu den besten Freunden Dom Alvarez’. Und vor vielen Jahren hatten die beiden Väter einander ihre Kinder versprochen. Der große Altersunterschied zwischen Pedro und Charlotta hatte niemanden gestört. Im Gegenteil, noch immer hieß die Gesellschaft es gut, wenn ein erfahrener Mann ein junges Mädchen, das sich noch formen ließ, als Ehegattin in seine Obhut nahm.
Doch Dom Pedros Vater war lange tot, das Versprechen in Vergessenheit geraten und Doña Charlotta inzwischen mit diesem da Gama verlobt. Es wurde höchste Zeit, dass Dom Pedro auf seine älteren Rechte pochte und sich nahm, was ihm gehörte.
»Was wollt Ihr von mir? Weswegen seid Ihr in mein Haus gekommen?«, fragte Dom Alvarez. In seiner Stimme schwang Ärger mit. Es stimmte, er kannte Dom Pedro seit seiner Geburt, doch nach dem Tode des Vaters war er in schlechte Gesellschaft geraten. Seine üblen Triebe, die nun nicht mehr von der väterlichen Autorität im Zaume gehalten wurden, brachen unvermittelt hervor. Spielsucht, Trinkerei, Händel und Hurerei, das waren die Dinge, mit denen sich Dom Pedro den Tag versüßte. War Dom Pedro einst ein vielversprechender Seefahrer gewesen, so waren diese Zeiten lange vorbei. Aber er war und blieb sein Patensohn und stand tief in seiner Schuld.
»Also? Ich höre. Was führt Euch in meinen Palazzo?«
Im selben Augenblick klang aus den oberen Stockwerken heiteres, perlendes Gelächter bis nach unten in die kühle Halle. Beide Männer hoben den Kopf und lauschten. Eilige, leichte Schritte huschten über den Gang, ganz entfernt war das Rascheln von Seide zu hören. Doch schon klappte oben eine Tür und es herrschte wieder angespannte Stille.
Für einen Augenblick kam in Dom Pedro unwillkürlich die Erinnerung an einen heißen Sommertag vor knapp 20 Monaten wieder, als er mit seinem Berater Alonso Madrigal in der Taverne gesessen und die Nachricht von der Verlobung Doña Charlottas mit Vasco da Gama erfahren hatte.
Viel Wasser war in der Zwischenzeit den Tejo-Fluss, der ganz Lissabon mit Wasser versorgte, hinuntergeflossen. Und viele Gedanken hatte Dom Pedro in dieser Zeit in seinem Kopf hinund hergewälzt.
Ein Leichtes war es gewesen, den Ruf seiner
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