Im Sturm der Sinne
sogar noch mehr wert als Angus.
Wer dann?
Die nächsten Tage vergingen wie in Trance. Deidre tauschte ihre Stunden mit Janet, damit sie nicht anwesend war, wenn Gilead, jetzt oft zusammen mit Dallis, seine Mutter besuchte. Sie ertrug es nicht, die beiden zusammen zu sehen, Dallis klingelndes Gelächter fuhr ihr durch Mark und Bein. Janet war das nur lieb, und sie flirtete vor Dallis noch unverhohlener mit Gilead. Deidre gab es nur ungern zu, aber Dallis verhielt sich wie eine wirkliche Dame und schien Janets abscheuliches Betragen einfach nicht zu bemerken. Aber vielleicht hatte ihr Gilead ja ob ihrer Schönheit schon seine immerwährende Liebe geschworen, und sie hatte keinen Grund zur Eifersucht. Deidre versuchte bei diesen Gedanken verzweifelt, ihr eigenes grünäugiges Monster zu bezwingen.
Angus hatte noch in der Nacht alle Tore schließen lassen, und jeder, der sich innerhalb der Mauern befand, wurde am nächsten Tag befragt. Einige Male hörte Deidre das Flirren der Peitsche und die schnell erstickten Schreie der unglücklichen Seelen, die an den Pfahl bei den Ställen gefesselt waren. Männer, die Wache hätten schieben sollen in dieser Nacht, es aber offenbar nicht getan hatten.
Am späten Nachmittag stürmte Angus in die Great Hall und warf die Peitsche in die Ecke. Deidre sammelte schnell ein paar Früchte vom Regal am anderen Ende des Saals und wünschte, sie könnte sich in Luft auflösen. Sie hatte keinerlei Verlangen, Angus’ Wut auf sich zu ziehen, vor allem, weil er sie wohl immer noch verdächtigte.
Er schien sie nicht zu bemerken, und dann verstand sie, warum. Formorian lehnte im Rahmen der Tür, die in den hinteren Gang führte.
»Keiner hat irgendetwas gesehen?«, fragte sie mit ihrer tiefen, melodischen Stimme.
Angus sah erschöpft aus, aber er lächelte sie an, als er den Kopf schüttelte. »Gar nichts. Als ob irgendein Geist aufgetaucht wäre.«
»Ein Geist? Sei lieber vorsichtig, in wessen Gegenwart du das sagst. Die normalen Leute glauben so etwas ganz gern.« Formorian ging um ihn herum und begann seine Schultern zu massieren. »Ich glaube, du brauchst eine gute Abreibung.«
Er wandte sich um, legte einen Arm um ihre Schultern und lächelte. »Und ich kenne genau den richtigen Ort …«
Deidre starrte ihnen hinterher, als sie davonschlenderten. Für die beiden war sie völlig unsichtbar gewesen. Aber ein Geist? War es das, was sie verbreiten wollten?
Gilead konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so gefangen gefühlt zu haben. Die letzen Tage waren ein einziger grausamer Alptraum gewesen. Er sorgte sich wegen der immer gewaltsameren Angriffe auf seine Mutter, und versuchte sooft wie möglich bei ihr zu sein, um sie zu schützen, aber auch, um vielleicht irgendeinen Hinweis zu finden, wer dahinterstecken könnte.
Er warf einen Blick auf Dallis, als sie jetzt die Treppe zu Elens Gemach hinaufstiegen. Er wäre lieber alleine gegangen, aber Angus hatte ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass er Zeit mit Dallis verbringen sollte, und seine Mutter zu besuchen war einfacher, als mit ihr allein zu sein.
Er wusste, dass ihn alle in Frage kommenden Männer beneideten. Drustan hatte ihm Dallis’ Vorzüge oft genug aufgezählt, und er hatte gesehen, was für bewundernde Blicke ihr die anderen Männer zuwarfen, wenn sie dachten, er sähe gerade nicht hin. Sobald sie eine Bitte äußerte, waren schon ein Dutzend eifriger Verehrer zur Stelle, die nur zu gern all ihre Wünsche erfüllten. Zu ihrer Verteidigung musste gesagt werden, dass sie nichts tat, um sie zu ermuntern, außer ihnen freundlich zuzulächeln. Sie errötete sogar auf reizende Art, wenn ihr Drustan eine neue Ode widmete. Gilead wollte ihr auch das nicht vorwerfen. Aber sie war eben nicht Deidre.
Er öffnete die Tür zum Gemach seiner Mutter und war überrascht, dort Deidre vorzufinden. Wie er es erwartet hatte, sprang sie sofort auf. Seit Dallis’ Ankunft hatte sie ihn gemieden, als hätte er die Pocken.
»Ich muss mich auf den Weg machen, Lady Elen. Ich habe Meara versprochen, Kräuter für sie zu sammeln.«
Gilead zog eine Augenbraue hoch und lehnte sich in den Türrahmen. Soweit er wusste, wollte Meara sie nicht in der Nähe der Küche sehen. Nie.
»Sicher musst du nicht sofort gehen. Meara war gerade dabei, dem Küchenjungen die Ohren langzuziehen, als wir heraufkamen. Vielleicht solltest du warten, bis sich ihre Hand etwas abgekühlt hat.«
Mit bestürzter Miene und einem zögerlichen Blick
Weitere Kostenlose Bücher