Im Sturm der Sinne
leer vorfand, dachte ich, es wäre Deidre gewesen, die gegangen ist.«
Angus richtete seinen Blick auf Deidre. »Und wo bist du gewesen?«
Sie brauchte jedes Quentchen ihrer Willenskraft, um nicht zusammenzuzucken. Sie fühlte, welche Wut er ausstrahlte. Das Schlimmste jedoch war, dass sie es verdient hatte. Sie hätte bei Elen sein müssen, anstatt sich davonzuschleichen und ein paar Dinge für ihre geplante Flucht heute Nacht zu packen. Große Schuldgefühle wallten in ihr auf.
»Ich … ich war bei ihr, bis sie eingeschlafen ist. Da Ihr den Geheimgang versperrt habt, dachte ich, ihr könnte nichts geschehen.«
Gilead berührte sanft den Hals seiner Mutter. »Du erinnerst dich an nichts mehr?«
Elen schüttelte den Kopf. »Ich hätte nicht den Schlaftrank trinken sollen. Ich wollte nicht …« Ihre Stimme verstummte, als sie Angus anblickte. »Ich wollte darauf warten, ob …« sie unterbrach sich und biss sich auf die Lippen.
Einen Augenblick lang sah Angus peinlich berührt aus, aber dann warf er seinen Kopf herum. »Wo ist Brena? Jemand soll sie holen«, schnappte er. Ein halbes Dutzend Mägde hatten sich im Flur versammelt und stießen in ihrer Eile, ihm zu gehorchen, aneinander.
Deidre hatte das Gefühl, dass Brena sehr blass aussah, als sie eintrat, aber es war für alle eine lange Nacht gewesen.
»Hast du Elen einen stärkeren Trank gegeben als üblich?«, fragte Angus unumwunden.
Die Heilerin sah ratlos aus. »Ein wenig, Mylord. Wegen der Aufregung des heutigen Abends.«
»Weil sie sich heute Abend tatsächlich bewegt und mit mir getanzt hat«, antwortete Angus. »Ist dir etwas Verdächtiges aufgefallen?«
»Nein. Deidre saß in ihrem Stuhl. Sonst war niemand da.«
Angus sah noch einmal zu Deidre und ließ seinen Blick zu ihren Händen wandern. Sie widerstand dem Drang, sie hinter ihrem Rücken zu verstecken, wie ein ungezogenes Kind, das Zuckerwerk geklaut hatte. Sie hätte nicht packen dürfen. Das wäre nicht geschehen, wenn sie bei Elen im Zimmer geblieben wäre. Aber Elen schlief in den meisten Nächten allein … Doch dann packte Deidre eine unglaubliche Wut, als ihr klar wurde, warum Angus auf ihre Hände starrte. Dachte er wirklich, dass sie versuchen würde, Elen zu erwürgen? In der Hoffnung auf Unterstützung blickte sie zu Gilead, aber auch er runzelte die Stirn. Nicht auch noch er!
Sie verschluckte einen Kloß in ihrem Hals, der zu einem Schluchzen zu werden drohte. »Es tut mir leid. Ich hätte bleiben sollen.«
Angus verengte seine Augen und sah zu Elen. »Ich werde ab jetzt eine Wache vor deiner Tür aufstellen. Und keine Schlaftränke mehr in der nächsten Zeit.« Er wandte sich an Brena. »Ist das klar?«
Brena wollte protestieren, überlegte es sich aber anders und nickte stumm. »Ich werde heute Nacht bei Mylady bleiben.«
»Nicht nötig«, sagte Gilead, zog den großen, gepolsterten Sessel näher an Elens Bett und ließ sich darin nieder. »Ich bleibe den Rest der Nacht über hier.«
Brena öffnete den Mund, aber bevor sie etwas sagen konnte, unterbrach Angus sie. »Dann hätten wir das geklärt. Geht jetzt alle zu Bett.«
Erschüttert verließ Deidre mit den anderen das Zimmer. Ihr blieb immer noch genug Zeit, um die Flucht zu versuchen, aber sie wusste, dass sie jetzt nicht einfach gehen konnte. Wer auch immer hinter all dem steckte, wagte sich jetzt weiter vor. Der erste Vorfall hätte als Lebensmittelvergiftung durchgehen können, und der zweite auf der Treppe als Unfall; bei dem dritten konnte man meinen, Elen hätte selbst versehentlich das falsche Kraut genommen, aber niemand fand eine plausible Ausrede für Würgespuren am Hals einer Frau.
Wer wollte Elens Tod? Die beiden naheliegenden Täter waren Angus und Formorian, aber dann bliebe noch immer das gar nicht so kleine Problem namens Turius. Niemand hatte versucht, ihn zu töten. Außerdem war Angus heute ernstlich besorgt gewesen und hatte sogar eine Wache aufstellen lassen. Außer natürlich, er hatte vor, den Mann zu zwingen, im Zweifelsfall in die andere Richtung zu sehen.
Formorian war kräftig genug, um Elen zu würgen, und vielleicht hatte Angus’ Aufmerksamkeit für seine Frau heute Nacht die Königin aufgestachelt. Aber es blieb noch immer die Sache mit den Sachsen. Deidre hatte das Gefühl, dass es irgendeinen Zusammenhang gab zwischen der Entführung und diesen Vorfällen, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich Formorian jemals mit den Sachsen verbünden würde. Ihr war das Land
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