Im Sturm der Sinne
den Baumstumpf setzte, als Ida hereingestürmt kam, gefolgt von der rot angelaufenen Wache. Die Röte war keine Schamesröte; Deidre konnte den Abdruck sehen, den Idas Faust hinterlassen hatte.
»Warum bist du hier drin?«, fragte er Henrick argwöhnisch.
Henrick sah der Wache ins Gesicht und antwortete dann: »Ich wollte ihm Gelegenheit geben, etwas zu essen.« Er warf einen Blick auf Deidre. »Ich wollte mich bei der – Lairdess – entschuldigen, weil ich ihr Angst eingejagt habe.«
Die Betonung des Wortes »Lairdess« sollte Deidre unmissverständlich zu verstehen geben, dass er ihr Geheimnis wahren würde, wenn sie seines wahrte.
»Ist das wahr?«, fragte Ida.
Sie verabscheute es, Henrick nachgeben zu müssen. »Ich habe seine Entschuldigung angenommen, aber es wäre mir lieber, wenn Ihr mir eine andere Wache geben würdet.«
Ida entließ die beiden Krieger mit einem kurzen Kopfnicken, ging dann zur Klappe und rief eine andere Wache. Der Mann – kaum mehr als ein Junge – hatte den frischen Ausdruck eines Menschen, der noch nicht viele Kämpfe miterlebt hatte.
»Carr«, sagte Ida. »Ich will, dass du die Dame bewachst.
Niemand
darf zu ihr hinein, keine Ausnahmen. Der Koch wird ihr Essen und deines heute Abend hierherbringen. Kann ich mich darauf verlassen, dass du mich nicht enttäuschst?«
»Ja, mein Prinz«, antwortete er mit einem leichten Zittern in der Stimme.
An dem ehrfurchtsvollen Ausdruck in seinem Gesicht konnte Deidre sehen, dass er das als große Ehre betrachtete. Warum hatte sie ihn zuvor nicht bemerkt?
Er plazierte sich breitbeinig und mit verschränkten Armen vor ihrem Zelt, was ihm allerdings eher das Aussehen eines Welpen gab, der versuchte, gefährlich zu wirken, als das einer bewaffneten Wache. Das Saexe an seinem Gürtel dagegen war doch sehr real.
Deidre setzte sich auf den Baumstumpf und versuchte sich zu konzentrieren. Das Zelt lag am Rande des Lagers. Wenn sie einen Weg finden würde, ein Loch in den hinteren Teil des Zelts zu schneiden, könnte sie vielleicht entkommen. Irgendwie musste sie an dieses Messer gelangen. Sie sah sich nach einem Knüppel oder Ähnlichem um, den man als Waffe benutzen konnte. Ida hatte alles, was anderen gefährlich werden konnte, entfernen lassen und trug zweifellos seine Streitaxt und sein Schwert bei sich; nicht dass sie die Kraft gehabt hätte das eine oder andere in der Luft zu schwingen.
Sie hob den Wasserkrug und die Schüssel an. Beide waren zu leicht, um jemanden damit zu verletzen. Ihr Blick fiel auf den Nachttopf, der in eine Ecke geschoben war. Er war aus massivem Messing und sicher schwer. Deidre hob ihn vorsichtig an – zum Glück war er leer. Schnell trug sie ihn in die Nähe der Klappe und legte sich dann wieder auf die Liege, um auf das Abendessen zu warten. Sie wünschte, sie könnte kurz schlafen, aber ihr Körper war zu angespannt, um Ruhe zu finden. Das war ihre einzige Chance. Es musste funktionieren.
Die Schatten senkten sich in dem schwindenden nördlichen Dämmerlicht, als sie hörte, dass der Koch mit dem Essen kam. Der Eintopf roch gut, aber sie ignorierte das Knurren ihres Magens. Sollte ihr Plan funktionieren, blieb ihr keine Zeit zum Essen.
»Euer Essen ist bereit«, rief Carr.
»Kannst du es hereinbringen, bitte? Und bring deines mit und iss mit mir«, antwortete Deidre in einer wie sie hoffte, verführerischen Stimme. Wenn der junge Wärter beide Hände voll hatte, umso besser.
Sie sah wie sein Stiefel zwischen den Falten erschien und er damit die Klappe zurückschlug. Dann kam er seitlich herein, in jeder Hand eine hölzerne Schüssel tragend.
»Hierhin«, sie deutete auf den Tisch. Als er sich nach unten beugte, um die Schüssel abzustellen, nahm sie den Nachttopf und zog ihn ihm über den ahnungslosen Hinterkopf. Das dumpfe Geräusch, als er stürzte, drehte ihr den Magen um, aber sie zwang sich, ihn noch einmal mit dem Nachttopf zu schlagen. Er stöhnte auf und blieb dann still liegen.
Deidre zog ihm das Saexe aus der Scheide. Einen Augenblick lang blickte sie auf das jugendliche Gesicht, das seitlich auf dem Baumstumpf lag. Sie wusste, dass sie ihn eigentlich töten sollte, aber das brachte sie nicht über sich. Bei der Göttin, sie konnte ihm doch nicht die Kehle aufschlitzen!
Schnell trat sie zur hinteren Wand des Zeltes und schnitt es auf. Es war dicker, als sie erwartet hatte, und als die Öffnung endlich groß genug war, damit sie sich hindurchschlängeln konnte, stand ihr der Schweiß auf
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