Im Sturm des Lebens
Situation fühlte. Also trat sie auf ihn zu und umfasste sein Gesicht mit den Händen. »Tut mir Leid«, sagte sie noch einmal.
»Ach, das war nichts Besonderes. Nur eine Unterhaltung mit dem lieben, alten Dad.« Angewidert warf er das Telefon auf den Terrassentisch. »Was willst du?«
»Ich habe den Wetterbericht gehört. Sie haben für heute Nacht Frost angesagt und ich fragte mich, ob du vielleicht da draußen gern Gesellschaft hättest.«
»Nein, danke. Ich schaffe das schon allein.« Er schob ihre Haare beiseite und betrachtete die Wunde. »Sehr attraktiv.«
»Solche Schrammen sehen nach ein paar Tagen immer schlimmer aus. Aber zumindest fühle ich mich nicht mehr so steif, wenn ich morgens aufwache. Ty ... sag mir, was los ist.«
»Nichts. Ich habe es schon geregelt.«
»Ja, ja, du kannst alles regeln. Und ich auch. Wir sind schrecklich.« Sie drückte seine Schulter. »Ich habe dir gesagt, wo es mir wehtut. Sag du es mir jetzt auch.«
Im ersten Moment wollte er sie abwehren, doch dann gab er nach. »Mein Vater ... Er nörgelt an meinem Großvater herum, wegen der schlechten Presse und den ganzen Polizeiverhören. Sie kommen seinen Tennisstunden in die Quere. Ich habe ihm gesagt, er soll sich zurückhalten.«
»Und tut er das?«
»Wenn nicht, rede ich mit Helen darüber, dass sie ein paar Löcher in seinen Vermögensfonds reißt. Das wird ihm schon das Maul stopfen, diesem Hurensohn. Er hat noch nie in seinem ganzen Leben auch nur einen Tag gearbeitet – noch schlimmer sogar, er
hat nie auch nur den kleinsten Anflug von Dankbarkeit gezeigt. Er nimmt immer nur, und wenn irgendwelche Probleme auftauchen, jammert er. Kein Wunder, dass er und dein Vater sich so gut verstanden haben.« Fluchend brach er ab. »Verdammt, Sophie. Das tut mir Leid.«
»Nein, das braucht es nicht. Du hast ja Recht.«
Es gibt eine Verbindung zwischen uns, dachte sie, die keiner vorher erkannt hatte.
»Ty, hast du jemals darüber nachgedacht, wie froh wir beide sein können, dass bestimmte Gene offensichtlich eine Generation überspringen? Warte«, sagte sie, bevor er sich zurückziehen konnte. »Du bist Eli so ähnlich.«
Sie fuhr mit den Fingern durch seine Haare. »Harter Junge«, sagte sie und küsste ihn auf die Wange. »Beständig wie ein Felsen. Lass dich von diesem Schwächling zwischen dir und Eli nicht fertig machen.«
Sanft drückte er seine Stirn gegen ihre. »Ich habe meinen Vater nie gebraucht.« Nicht so, dachte er, wie du deinen gebraucht hast. »Habe ihn nie gewollt.«
»Und ich habe meinen zu sehr gewollt und gebraucht. Deshalb sind wir so geworden, wie wir sind. Aber ich mag uns so, wie wir sind.«
»Wenn ich darüber nachdenke, bist du gar nicht so übel.« Tyler streichelte über ihre Arme. »Danke.« Er küsste Sophia auf den Scheitel. »Ich hätte nichts gegen ein bisschen Gesellschaft bei der Frostwache heute Nacht.«
»Ich bringe den Kaffee mit.«
21
A ls die Tage länger und sonniger wurden, brachen winzige Blütenknospen an den Weinstöcken auf. Die Bäume zeigten schon das erste Grün, und hier und da lugten neue Schösslinge aus der Erde. In den Wäldern waren die Vogelnester voller Eier, und Entenmütter schwammen mit ihren frisch ausgeschlüpften Küken über den Fluss.
April bedeutet Wiedergeburt, dachte Teresa. Und Arbeit. Und die Hoffnung, dass der Winter endgültig vorbei war.
»Die Wildgänse brüten schon«, sagte Eli zu ihr, als sie ihren Morgenspaziergang machten.
Sie nickte. Ihr Vater hatte ebenfalls dieses natürliche Barometer benutzt, um den Zeitplan der Weinlese zu beurteilen. Sie hatte gelernt, den Himmel, die Vögel und den Boden genauso zu beobachten wie die Rebstöcke. »Es wird ein gutes Jahr werden. Wir hatten einen regenreichen Winter.«
»Ein paar Wochen müssen wir uns noch Sorgen wegen dem Frost machen. Aber ich glaube, wir haben die richtige Zeit für die neuen Schösslinge gewählt.«
Teresa blickte über die gepflügten Felder. Sie hatte fünfzig Hektar für die neuen Pflanzungen zur Verfügung gestellt, europäische Weinreben, die auf amerikanische Wurzelstöcke aufgepfropft worden waren. Sie hatten erstklassige Trauben ausgesucht – Cabernet
Sauvignon, Merlot, Chenin Blanc. Und nach eingehender Beratung mit Tyler hatten sie das Gleiche auf den Feldern der MacMillans gemacht.
»In fünf Jahren, vielleicht auch schon in vier, werden sie tragen.«
»Wenn das, was wir jetzt gepflanzt haben, Früchte trägt, Eli, sind wir ein Vierteljahrhundert
Weitere Kostenlose Bücher