Im Sturm des Lebens
Freundin zum Essen zu gehen.«
»Oh, das ist aber schade.« Beiläufig holte Pilar eine Schüssel aus dem Schrank und begann, die Creme für das Tiramisu zu rühren. »Das hat dein Vater gar nicht erwähnt.«
»Er muss Ihnen ja nicht alles sagen.«
Es war das erste Mal, dass das Mädchen offen ungezogen zu ihr war. Wahrscheinlich sind die Schranken gefallen, dachte Pilar. »Das muss er natürlich nicht, und mit fast fünfzehn bist du auch alt genug, um zu wissen, was du essen möchtest, und vor allem, wo du es essen möchtest. Theo, würdest du Maddy und mich bitte für eine Minute allein lassen?«
»Klar.« Er ergriff sein Keyboard und warf Maddy einen verächtlichen Blick zu. »Wer ist hier der Idiot?«, murmelte er, als er an ihr vorbeiging.
»Sollen wir uns nicht setzen?«
Maddy schnürte es die Kehle zu. »Ich bin nicht heruntergekommen, um mich hinzusetzen und zu unterhalten, ich wollte mir nur etwas zu trinken holen. Ich muss meinen Aufsatz zu Ende schreiben.«
»Es gibt gar keinen Aufsatz. Setz dich, Maddy.«
Sie lümmelte sich auf einen Stuhl und setzte eine gelangweilte Miene auf. Pilar hatte kein Recht dazu, sie zurechtzuweisen, und das würde Maddy ihr schon klarmachen, wenn die Frau erst mal Dampf abgelassen hatte.
Pilar goss sich etwas von dem Espresso, den sie für das Tiramisu gemacht hatte, in eine Tasse und trank einen Schluck. »Ich möchte dich warnen. Ich bin hier im Vorteil, da ich kein vierzehnjähriges Mädchen
bin, sondern eine Mutter, deren Tochter einmal genauso alt war wie du jetzt.«
»Sie sind nicht meine Mutter.«
»Nein, das bin ich nicht. Und es ist sicher schwer für dich, dass eine Frau einfach in euer Haus kommt, nicht wahr? Ich versuche mir vorzustellen, was ich an deiner Stelle empfinden würde. Wahrscheinlich genau dasselbe wie du. Ich wäre wütend, nervös, voller Vorurteile. Für Theo ist es leichter. Er ist ein Junge und hat keine Ahnung von den Dingen, die uns Frauen bewegen.«
Maddy öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, als sie merkte, dass ihr keine Antwort einfiel.
»Du hattest lange Zeit die Verantwortung. Deine Männer würden das nicht so sehen, wären wahrscheinlich beleidigt, wenn jemand das behauptete«, fügte Pilar hinzu und sah erfreut, dass sich Maddys Mundwinkel leicht verzogen. »Aber eine kluge Frau führt normalerweise das Regiment. Du hast hier gute Arbeit geleistet, und ich bin nicht gekommen, um dir das Heft wieder aus der Hand zu nehmen.«
»Sie ändern doch schon alles! Aktionen bewirken Reaktionen. Das ist wissenschaftlich belegt. Ich bin doch nicht blöd.«
»Nein, du bist klug.« Armes, ängstliches kleines Mädchen, dachte Pilar, mit dem Kopf einer Erwachsenen. »Ich wollte auch immer klug sein und kam mir doch nie klug genug vor. Ich habe das kompensiert, denke ich, indem ich lieb und still war und Frieden gehalten habe. Diese Aktionen haben auch Reaktionen bewirkt.«
»Wenn man immer still ist, hört einem keiner zu.«
»Da hast du vollkommen Recht. Dein Vater ... er gibt mir das Gefühl, klug und stark genug zu sein,
um das zu sagen, was ich denke und fühle. Das ist eine tolle Sache. Du weißt das schon.«
Maddy blickte stirnrunzelnd auf den Tisch. »Wahrscheinlich.«
»Ich bewundere ihn, Maddy – als Mann und als Vater. Das ist auch eine tolle Sache. Ich erwarte nicht von dir, dass du für mich die Willkommensfahne heraushängst, aber ich hoffe, du schlägst mir auch nicht die Tür vor der Nase zu.«
»Warum interessiert es Sie überhaupt, was ich tue?«
»Aus vielen Gründen. Ich mag dich. Tut mir Leid, aber das stimmt. Ich mag deine Unabhängigkeit und deinen Verstand und deine Loyalität deiner Familie gegenüber. Wenn ich nicht mit deinem Vater zusammen wäre, kämen wir wahrscheinlich gut miteinander aus. Aber ich bin mit deinem Vater zusammen, und ich nehme dir wohl etwas von seiner Zeit und Aufmerksamkeit weg. Ich könnte ja sagen, dass mir das Leid tut, aber wir wüssten beide, dass es nicht stimmt. Ich möchte auch etwas von seiner Zeit und Aufmerksamkeit. Weil ich deinen Vater nämlich liebe, Maddy, und das ist ein weiterer Grund, warum mich interessiert, was du tust.«
Pilar schob ihre Tasse weg, stand auf und hielt sich den Bauch. »Ich habe das noch nie zuvor gesagt. Mann, das fühlt sich seltsam an!«
Maddy rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Sie saß mittlerweile ganz gerade. Und auch ihr drehte sich der Magen um. »Meine Mutter hat ihn auch geliebt. Genug jedenfalls, um ihn zu
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