Im Sturm des Lebens
Chaos. Das Unternehmen steckte in Schwierigkeiten. Und der Mann, der höchstwahrscheinlich ihr Stiefvater werden würde, lag mit einem Einschussloch in der Schulter nebenan.
War das nicht genug, worüber sie sich Gedanken machen musste? Musste sie da auch noch über ihre Bindungsangst nachdenken?
Eigentlich hatte sie ja gar keine Bindungsangst. Genau. Und wenn doch, dachte Sophia und setzte sich wieder, dann werde ich eben später darüber nachdenken.
David schlief zwei Stunden lang, und als er aufwachte, fühlte er sich wie ein Mann, der angeschossen worden war. Allerdings wie einer, der überlebt hatte. Und während er jetzt am Tisch saß und mit Minestrone gefüttert wurde, fand er, er könne eigentlich wieder anfangen zu denken.
»Du hast schon wieder etwas Farbe«, sagte Sophia.
»Der größte Teil meines Gehirns auch.« Jedenfalls so viel, dass er merkte, dass sie ihre Suppe gar nicht aß, sondern nur damit herumspielte. »Möchtest du es mir erzählen?«
»Ich kann dir sagen, was geschehen ist und was ich weiß. Aber ich glaube, all deine Gedächtnislücken kann ich nicht füllen. Sie suchen nach Donato – nicht nur die Polizei, sondern auch ein Privatdetektiv, den meine Großeltern angeheuert haben. Sie haben Gina verhört. Man hat mir erzählt, sie sei hysterisch geworden und behaupte, überhaupt nichts zu wissen. Ich glaube ihr sogar. Wenn sie etwas wüsste und Don sie und die Kinder in dieser Situation sitzen gelassen hätte, würde sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Sie konnten die Frau, mit der er zusammen ist, nicht ausfindig machen. Wenn er sie liebt, wie er mir gesagt hat, hat er sie wahrscheinlich mitgenommen.«
»Hart für Gina.«
»Ja.« Sophia stand auf, weil sie keine Lust mehr hatte, so zu tun, als äße sie etwas. »Stimmt. Ich habe Don immer ganz gern gemocht. Gina konnte ich kaum ertragen und auch für ihren Nachwuchs habe ich nichts empfunden. Jetzt ist sie von ihrem fremdgehenden, kriminellen und vielleicht sogar mörderischen Ehemann verlassen worden. Und ... verdammt,
ich fühle trotzdem nicht mit ihr. Ich kann es einfach nicht.«
»Immerhin ist es möglich, dass sie mit ihren Ansprüchen Don zu den Betrügereien verleitet hat.«
»Selbst wenn, ist er verantwortlich für seine Handlungen. Es geht auch nicht nur darum. Ich kann sie einfach nicht ausstehen. Ich bin eine schreckliche Person. Aber genug von mir.«
Sie ergriff ein Stück Brot und knabberte daran, während sie im Zimmer hin und her ging. »Man nimmt an, dass Don Geld aus dem Unternehmen auf die Seite geschafft hat. Es reicht wahrscheinlich für eine Weile, aber um ehrlich zu sein, halte ich ihn nicht für clever genug, als dass er sich lange verstecken kann.«
»Der Meinung bin ich auch. Jemand hat ihm bei den Betrügereien geholfen.«
»Mein Vater.«
»Nur bis zu einem gewissen Punkt«, erwiderte David und sah sie an. »Nach seinem Tod war es vielleicht Margaret. Aber wenn sie überhaupt daran beteiligt waren, dann war ihr Anteil minimal. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass sie keine tragenden Rollen spielten.«
Sophia schwieg. »Du meinst, sie wurden auch missbraucht?«
»Ich meine, dein Vater hat sich einfach nur umgetan. Und Margaret war gerade erst dabei, sich zu arrangieren.«
»Und dann wurde sie umgebracht«, sagte Sophia leise. »Und mein Vater wurde auch umgebracht. Da könnte sich alles irgendwie wieder treffen.«
»Möglich. Aber so gerissen und vorausplanend ist Don nicht, er konnte nicht etwas entwickeln, das
jahrelang an der Rechnungsabteilung bei Giambelli vorbeiläuft. Er war der Handlanger, der mit den Verbindungen innerhalb des Unternehmens. Aber der Drahtzieher war ein anderer. Vielleicht die Geliebte«, fügte David achselzuckend hinzu.
»Vielleicht. Sie werden ihn finden. Entweder sonnt er sich an irgendeinem tropischen Strand oder er ist im Meer ertrunken. In der Zwischenzeit setzen wir hier die Puzzleteile zusammen.«
Sophia setzte sich wieder. »Donato wäre übrigens in der Lage gewesen, den Wein zu vergiften, oder er hat jemanden angeheuert, um ihn vergiften zu lassen.«
»Ich weiß.«
»Aber ich habe Schwierigkeiten mit dem Motiv. Rache? Warum soll er das Ansehen und damit die finanzielle Sicherheit des Unternehmens schädigen, das ihn ernährt? Und würde er etwa sogar dafür töten?«
Sophia schwieg und musterte Davids bandagierten Arm. »Nun ja, er hat uns deutlich gezeigt, dass er mit kriminellen Handlungen keine
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