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Im Sturm erobert

Titel: Im Sturm erobert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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schlanke Gestalt. Die schwarze Satinkrempe ihres verschleierten Hutes war ein schicker Kontrast zu ihrem hellen Haar. Schwarze Handschuhe und schwarze Stiefeletten aus Ziegenleder vollendeten die Toilette.
    Alles in allem hätte die Besitzerin des Hauses der Peitsche an diesem Nachmittag einen Modetrend unter der Elite der Gesellschaft auf der Bond Street oder im Park kreieren können. Er nahm Beatrice’ Arm. »Etwas sagt mir, daß sie Schwarz nicht gewählt hat, weil sie in Trauer ist.«
    »Aber es ist unmöglich, soviel davon zu tragen.«
    »Madame Tugend arbeitet auch in einem ungewöhnlichen Gewerbe.«
    »Ja, natürlich.« Beatrice hielt inne. »Wißt Ihr, ich war so begierig darauf, sie zu sprechen, daß ich fast ihr Gewerbe vergessen habe.«
    »Ihr tätet gut daran, das immer vor Augen zu haben.« Er dirigierte sie zwischen zwei moosbedeckten Säulen hindurch. Die Frau in Schwarz klappte ihr Buch zu und betrachtete Leo und Beatrice durch ihren Schleier. Sie sagte nichts, wartete einfach.
    »Madame Tugend?« Beatrice ließ Leos Arm los. Sie schlug ihren Schleier über die Krempe ihres grünen Hutes zurück und trat vor. »Ich bin Beatrice Poole. Das ist mein Partner, Lord Monkcrest. Es war sehr nett von Euch, einverstanden zu sein, mit uns zu sprechen.«
    Leo beobachtete erstaunt, wie Beatrice Poole die Bordellbesitzerin genauso höflich begrüßte, wie sie jede andere hoch-gestellte Dame der Gesellschaft begrüßt hätte. Keine andere Frau aus seiner Bekanntschaft hätte sich so verhalten. Aber keine von ihnen hätte auch je so eine Begegnung arrangiert. »Mrs. Poole.« Madame Tugends Stimme war üppig, samtig. Sie hob ihren eigenen Schleier und enthüllte ein feines aristokratisches Gesicht und kühle, berechnende, blaue Augen. Sie beugte den Kopf in Richtung Leo. »Monkcrest.«
    »Madame.« Leo hatte das Gefühl, daß er als potentieller Kunde gemustert wurde. Er lächelte.
    Madame Tugend deutete auf die gegenüberliegende Bank. »Wollt Ihr nicht Platz nehmen?«
    »Danke.« Beatrice setzte sich. Sie arrangierte ihre Röcke mit einer Bewegung ihrer behandschuhten Hand. »Ich habe eine Reihe von Fragen.«
    »Ich werde versuchen, sie zu beantworten.«
    Leo zog es vor, stehenzubleiben. Er lehnte sich mit der Schulter gegen eine Säule und verschränkte die Arme. Er beobachtete die beiden sehr modischen, sehr formidablen Frauen, die aus zwei so verschiedenen Welten stammten.
    Für ihren Teil schien die Besitzerin des Hauses der Peitsche sowohl verwirrt als auch amüsiert von Beatrice’ direkter Art. Leo hätte jede Summe darauf verwettet, daß es Neugier und nicht das Bedürfnis zu helfen gewesen war, das Madame Tugend veranlaßt hatte, an diesem bizarren Treffen teilzunehmen.
    Bei ihrer Arbeit hatte Madame Tugend sicher schon zahllose, respektable Herren unterhalten. Aber mit großer Wahrscheinlichkeit hatte sie noch nie ein Gespräch mit einer respektablen Lady geführt.
    Ein Gefühl, sich außerhalb der Realität zu bewegen, erfaßte Leo. Mit einem Mal kam ihm der Gedanke, daß sein Leben, das vor knapp einer Woche deprimierend und öde gewesen war, plötzlich mit Unberechenbarkeiten und Seltsamkeiten erfüllt war. Er stellte fest, daß er in den letzten paar Tagen ein größeres Spektrum von Launen und Gefühlen durchlebt hatte, als im ganzen vorigen Jahr.
    Er fragte sich, ob er in einen Tagtraum gestolpert war. Vielleicht würde er gleich die Augen aufschlagen und feststellen, daß er in die Flammen seines Kamins in der Bibliothek stierte.
    »Wie man mir sagte, starb mein Onkel, Lord Glassonby, in Eurer Anwesenheit.« Beatrice sprach mit Bedacht. »Ist das wahr?«
    »In der Tat.« Ein Ausdruck höflichen Bedauerns erschien in Madame Tugends Augen. »Ich muß Euch zu meinem Bedauern sagen, daß er mitten auf meinem neuen Teppich zusammenbrach. Er war sehr schön, der Teppich, meine ich. Eine Art Meergrün mit vielen Delphinen und Muscheln. Ich habe vor kurzem alles im neuen Zamarischen Stil umdekorieren lassen.«
    »Ich verstehe.«
    »Leider gab es ein paar Flecken«, sagte Madame Tugend behutsam. »Das passiert oft, wenn der Tod eintritt, wißt Ihr.« »Ja.« Beatrice verschränkte die Hände. »Ich weiß.«
    »Meiner Haushälterin ist es nicht gelungen, sie zu entfernen. Ich war gezwungen, den Teppich zu ersetzen.«
    Leo gefiel das kätzische Funkeln ihrer Augen nicht. »Ich hoffe doch, daß Ihr nicht erwartet, daß Lord Glassonbys Familie Sie für die Kosten des Teppichs entschädigt, Madam.« Beatrice

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