Im Sturm erobert
Ihr Spaß an Eurem Beruf?«
Madame Tugend erstarrte für ein paar Sekunden. Dann perlte ihr silbriges Lachen durch die Luft, so leicht und kalt wie Eiszapfen. »Was für eine drollige Frage, Mrs. Poole. Ich liebe meine Arbeit. Was könnte unterhaltsamer sein, als regelmäßig die Krone der englischen Männlichkeit zu peitschen und dann auch noch dafür bezahlt zu werden?«
Die Röcke ihres schwarzen Kleides rauschten leise, als sie die Ruine verließ.
Leo richtete sich auf. »Ich werde Euch zu Eurem Wagen begleiten, Madame Tugend.«
Sie warf einen Blick über die Schulter, und ihr Gesicht hinter dem schwarzen Schleier war unergründlich. »Wie gütig von Euch, Mylord.«
Er ging mit ihr zu dem kleinen Einspänner, half ihr in die elegante Kabine und reichte ihr die Zügel.
Sie musterte ihn kurz. »Im allgemeinen erkenne ich zukünftige Klienten auf den ersten Blick, Monkcrest. Ich sehe, daß Ihr nicht dazu gehören werdet.«
»Meine Schrullen verlangen nicht die Art Dienste, die das Haus der Peitsche anbietet.«
»Schade.« »Ich bin jedoch bereit, für einige Dinge sehr gut zu bezahlen«, sagte Leo bedächtig.
Die schwarz behandschuhten Hände an den Zügeln regten sich nicht. »Was für Dinge?«
»In Eurem Beruf seid Ihr in der Lage, an viele Informationen ranzukommen.«
»Sehr wahr.«
»Wenn Ihr zufällig etwas von Interesse im Zusammenhang mit dem Tod von Lord Glassonby oder gewissen Antiquitäten erfahrt, die aus seinem Besitz abhanden gekommen sind, würde ich sehr gerne davon hören. Es soll nicht Euer Schaden sein.«
»Ich bin immer bereit, Profit zu machen, Mylord. Wenn ich irgend etwas von Bedeutung höre, wird es mir eine Freude sein, Euch die Information zu verkaufen.«
»Ihr werdet feststellen, daß ich in solchen Dingen sehr großzügig sein kann.«
»Das bezweifle ich nicht.« Madame Tugend hob die Zügel. »Sagt mir, ist es wahr, was man sich über die Männer Eurer Familie erzählt, Sir? Daß alle Irre und Hexer wären?«
»Nur einige von ihnen«, erwiderte Leo. »Das Problem ist für die meisten Leute, daß es unmöglich ist, herauszufinden, welche die Hexer und welche einfach irre sind, bevor es zu spät ist.«
Madame Tugend lachte. Sie warf einen Blick zur Tempelruine, wo Beatrice wartete. »Ich glaube, Eure Mrs. Poole ist mehr als fähig, damit fertigzuwerden, egal, als war Ihr Euch erweist, Mylord. Guten Tag.«
Sie klatschte mit einer geschickten Bewegung die Zügel gegen den Rücken der Wallache. Die Pferde trabten elegant los. Leo beobachtete, wie der schwarze Wagen um die Biegung des Weges verschwand, dann drehte er sich um und ging zu Beatrice zurück.
»Eine höchst interessante Frau.« Beatrice sah dem davonfahrenden Wagen nachdenklich hinterher. »Und wahrscheinlich eine sehr gefährliche.«
Leo sah sie überrascht an. »Wegen ihres Berufes?«
»Nein, weil tief in ihrem Inneren ungeheuer viel Schmerz begraben ist.«
Leo runzelte die Stirn. »Woher wißt Ihr das?«
Beatrice schüttelte sich. »Ich konnte es in ihrem Lachen hören.«
Leo überlegte kurz. Die Erinnerung an brüchige Eiszapfen durchfuhr ihn. Er sagte nichts.
»Und?« Beatrice sah ihn erwartungsvoll an. »Was denkt Ihr?«
»Ich glaube, sie ist ein bißchen besorgt, daß wir sie des Diebstahls und des Mordes beschuldigen werden.«
Beatrice seufzte. »Ich hab versucht, sie zu überzeugen, daß das nicht unsere Absicht ist. Was habt Ihr vorhin zu ihr gesagt, als Ihr sie zur Kutsche begleitet habt?«
»Ich habe ihr angeboten, für jede Information zu zahlen, die sie zufällig aufschnappt. Eine Frau in ihrem Beruf erfährt manchmal sehr viel von ihren Kunden. Im Grunde ihres Herzens ist Madame Tugend eine Geschäftsfrau.«
»Ja, ich glaube, Ihr habt recht.« Beatrice runzelte die Stirn. »Angenommen, wir gehen davon aus, daß mein Onkel nicht absichtlich ermordet wurde. Was, wenn der Grund für Onkel Reggies Tod tatsächlich ein Herzanfall war oder eine zufällige Uberdosis seines Elixiers? Madame Tugend könnte die Ringe in seiner Kleidung gefunden und gestohlen haben, bevor sie Hilfe holte.«
Leo schüttelte den Kopf. »Nicht sehr wahrscheinlich. Erstens bezweifle ich, daß Euer Onkel so extrem wertvolle Gegenstände mit ins Haus der Peitsche nehmen würde, wo er sich auszog. Er hätte die Ringe in seiner Kleidung lassen müssen.«
»Ich verstehe Euren Standpunkt.«
»Selbst wenn er so dumm gewesen wäre, ein Paar unbezahlbare Antiquitäten in seiner Hose zu lassen, während er das Auspeitschen
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