Im Sturm: Thriller (German Edition)
Bucharin.
»Richten Sie dem Genossen Alexejew aus«, fuhr der Verteidigungsminister dazwischen, »daß uns an Taten gelegen ist, nicht an Worten.«
»Genossen«, sagte Sergetow, »aus meiner Militärzeit weiß ich noch, daß man erst angreifen soll, wenn man mit Männern und Waffen entscheidend in der Überzahl ist. Alexejews Angriff ist zum Scheitern verurteilt, wenn er überhastet erfolgt. Geben wir dem Mann Zeit.«
»Sind Sie auf einmal Verteidigungsexperte?« höhnte der Verteidigungsminister. »Wenn Sie auf Ihrem eigenen Gebiet so beschlagen wären, säßen wir jetzt nicht in der Klemme.«
»Genosse Minister, Ihre Einschätzung des Treibstoffverbrauchs an der Front war viel zu optimistisch. Sie rechneten mit einem Feldzug von zwei, höchstens vier Wochen, nicht wahr?« Sergetow schaute in die Runde. »Sachkenntnis dieses Kalibers hat uns in die Katastrophe geführt!«
»Wir werden den Westen besiegen!«
»Genossen!« Kosow betrat den Raum. »Entschuldigen Sie meine Verspätung, aber ich habe erfahren, daß unsere Streitkräfte auf Island kapitulieren. Als Gründe führt der kommandierende General Verluste in Höhe von dreißig Prozent und eine hoffnungslose taktische Situation an.«
»Lassen Sie ihn sofort verhaften!« brüllte der Verteidigungsminister. »Und die Familie des Verräters auch!«
»Das Verhaften unserer eigenen Leute scheint dem Genossen Verteidigungsminister viel leichter von der Hand zu gehen als das Schlagen unserer Feinde«, merkte Sergetow trocken an.
»Sie junger Schnösel!« Der Verteidigungsminister wurde blaß vor Zorn.
»Ich will nicht behaupten, daß wir geschlagen sind, aber gesiegt haben wir eindeutig nicht. Es ist an der Zeit, daß wir eine politische Lösung suchen.«
»Wir könnten die Vorschläge der deutschen Bundesregierung akzeptieren«, meinte der Außenminister hoffnungsvoll.
»Das ist leider nicht möglich«, erwiderte Kosow. »Ich habe Grund zu der Annahme, daß sie nur eine deutsche maskirowka waren.«
»Ihr Stellvertreter sagte aber erst gestern –«
»Ich sagte ihm und Ihnen, daß ich meine Zweifel habe. Le Monde meldet heute, die Deutschen hätten das sowjetische Angebot, nach dem Krieg eine politische Lösung auszuhandeln, abgelehnt. Zeit und Ort des Treffens wurden korrekt wiedergegeben — die Informationen können also nur aus offiziellen deutschen Quellen kommen. Für mich steht fest, daß das Ganze von Anfang an nur den Zweck hatte, unser strategisches Denken zu beeinflussen. Man gibt uns einen Wink, Genossen: Der Gegner ist bereit, den Krieg bis zum bitteren Ende zu führen.«
»Marschall Bucharin, wie stark ist die Nato?« fragte der Generalsekretär.
»Sie hat massive Verluste an Menschen und Material erlitten. Ihre Armeen sind erschöpft. Das muß so sein, denn sonst hätte sie schon einen starken Gegenangriff geführt.«
»Es bedarf also nur noch einer letzten Offensive«, sagte der Verteidigungsminister und suchte am Kopfende des Tisches Unterstützung. »Mag sein, daß Alexejew recht hat. Wir müssen ihre Linien mit einem wohlvorbereiteten Schlag zertrümmern.«
Jetzt greift er nach fremden Strohhalmen, dachte Sergetow.
»Der Verteidigungsminister wird dies erörtern«, erklärte der Generalsekretär.
»Nein!« wandte Sergetow ein. »Dies ist nun eine politische Frage, die das gesamte Politbüro angeht. Über das Schicksal des Landes dürfen nicht nur fünf Männer entscheiden!«
»Einwände stehen Ihnen nicht zu, Michail Eduardowitsch. Sie sind an diesem Tisch nicht stimmberechtigt.« Sergetow war wie vor den Kopf geschlagen, denn diese Worte kamen von Kosow.
»Vielleicht sollte man ihm dieses Recht geben«, meinte Bromkowski.
»Keine Frage, über die jetzt entschieden werden sollte«, verkündete der Generalsekretär.
Sergetow schaute in die Runde am Eichentisch. Jetzt brachte niemand den Mut auf, offen seine Meinung zu sagen. Beinahe hätte er das Gleichgewicht der Macht im Politbüro verändert, doch bis sich die stärkere Fraktion herauskristallisiert hatte, galten die alten Regeln. Die Runde wurde vertagt. Die Mitglieder gingen bis auf die fünf Männer des Verteidigungsrates und Bucharin hinaus.
Draußen blieb der Kandidat stehen, suchte nach Verbündeten. Seine Kollegen gingen einer nach dem anderen an ihm vorbei. Mehrere schauten ihm in die Augen, sahen dann aber weg.
Dann sprach ihn der Landwirtschaftsminister an. »Michail Eduardowitsch, wie sieht es mit dem Treibstoff für die Lebensmittelverteilung aus?«
»Wie ist
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