Im Sturm: Thriller (German Edition)
Volkes, der Partei und ein wenig Zeit.«
»Sie weichen der Frage aus!« meinte Marschall Bucharin.
»Beim ersten Sturmangriff wurde uns der Einsatz chemischer Waffen verboten. Dieser hätte uns einen entscheidenden Vorteil verschafft –«
»Der politische Preis schien zu hoch«, meinte der Außenminister defensiv.
»Könnten Sie diese Waffen jetzt gewinnbringend einsetzen?« fragte der Generalsekretär.
»Wohl kaum. Hauptziele hätten ganz zu Anfang die Gerätedepots sein sollen. Diese sind inzwischen fast alle leer. Und ihr Einsatz an der Front stellt auch keine vernünftige Option mehr dar. Den nun eintreffenden Einheiten der Kategorie III fehlt die Ausrüstung für den wirkungsvollen Einsatz in chemisch verseuchter Umgebung.«
»Ich wiederhole meine Frage«, beharrte der Verteidigungsminister. »Was brauchen Sie für einen sicheren Sieg?«
»Um einen entscheidenden Durchbruch zu erzielen, müssen wir ein Loch in die Nato-Linien reißen, das mindestens dreißig Kilometer breit und zwanzig Kilometer tief ist. Hierzu brauche ich zehn Divisionen – und mehrere Tage zu ihrer Vorbereitung.«
»Wie wäre es mit taktischen Kernwaffen?« Alexejew verzog keine Miene und dachte: Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Genosse Generalsekretär?
»Das Risiko ist zu hoch.« Die Untertreibung des Tages.
»Und wenn es uns gelingen sollte, einen Vergeltungsschlag der Nato mit politischen Mitteln zu verhindern?« fragte der Verteidigungsminister.
»Ich weiß nicht, wie das zu bewerkstelligen wäre.«
»Und wenn es uns doch gelingen sollte?«
»Dann sähen unsere Chancen merklich besser aus.« Alexejew legte eine Pause ein. Sie wollen also tatsächlich, daß an der Front Kernwaffen eingesetzt werden. Und was, wenn die Nato Gleiches mit Gleichem vergilt? Bleibt es dann bei einem Schlagabtausch, oder kommt es zur Eskalation? Wenn ich ihnen jetzt sage, daß sie nicht bei Trost sind, suchen sie sich einen anderen willfährigen General. »Das Problem, Genossen, ist die Kontrolle.«
»Bitte erläutern Sie das näher.«
Alexejew drückte sich vorsichtig aus, vermischte Wahrheiten mit Lügen und Mutmaßungen. Heuchelei fiel ihm nicht leicht, aber dies war wenigstens ein Thema, das er schon seit Jahren mit seinen Kollegen diskutiert hatte. »Genosse Generalsekretär, Kernwaffen sind vor allem politische Waffen, die von der politischen Führung kontrolliert werden, auf beiden Seiten. Damit ist ihr Nutzen auf dem Schlachtfeld eingeschränkt. Die Entscheidung, Kernwaffen in einem taktischen Kontext einzusetzen, muß von dieser Führung getroffen werden. Bis die Genehmigung erteilt ist, hat sich die taktische Situation mit Sicherheit geändert, und die Waffe hat ihren Nutzwert verloren. Dies scheint man bei der Nato nie begriffen zu haben. Wegen des langwierigen Entscheidungsprozesses ist es wahrscheinlicher, daß nicht taktische Waffen im Feld eingesetzt werden, sondern strategische gegen strategische Ziele.«
»Das widerspräche der Doktrin der Nato«, wandte der Verteidigungsminister ein.
»Als wir die Durchbrüche bei Alfeld und Rühle erzielten, wurden unsere Brückenköpfe nicht mit Atomwaffen angegriffen, obwohl dies in Vorkriegsstudien der Nato empfohlen worden war. Es folgt der Schluß, daß die Gleichung mehr Variablen enthält, als wir vermuteten. Immerhin haben wir selbst gelernt, daß im Krieg die Realität von der Theorie abweichen kann.«
»Sie unterstützen also unsere Entscheidung, taktische Kernwaffen einzusetzen?« fragte der Außenminister.
Die Lüge kam Alexejew glatt über die Lippen. »Gewiß, vorausgesetzt, Sie können einen Vergeltungsschlag verhindern. Ich muß aber die Warnung aussprechen, daß sich meine Einschätzung der Reaktion der Nato stark von den tatsächlich ergriffenen Maßnahmen unterscheiden kann. Meiner Auffassung nach wird der nukleare Gegenschlag Stunden später als erwartet fallen und gegen strategische, nicht gegen taktische Ziele gerichtet sein, also Straßen- und Eisenbahnknotenpunkte, Flugplätze und Versorgungseinrichtungen. Diese sind stationär; unsere Panzer bewegen sich.« Bedenkt, was ich da gerade gesagt habe, Genossen: Das Ganze wird sehr schnell unserer Kontrolle entgleiten. Macht Frieden, ihr Narren!
»Sie meinen also, wir könnten ungestraft taktische Waffen einsetzen, wenn wir gleichzeitig strategische Ziele bedrohen?« fragte der Generalsekretär hoffnungsvoll.
»Das stünde im Einklang mit der Vorkriegsdoktrin der Nato. Übersehen wird hierbei nur die
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