Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
ich mich aus lauter Wohltätigkeit pimpern lassen muss, weder von dir noch von sonst einem.«
»Ich bin müde«, brummte er. Er setzte sich auf die Bettkante, und wieder wanderte sein Blick zum Fenster. »Daran wird’s wohl liegen.«
»Du bist müde, seit man dich suspendiert hat.«
»Was willst du damit sagen? Dass ich seitdem lausig im Bett bin oder was?«
»Ach, Scheiße«, sagte sie, und dann war der Dampf raus. Sie ließ sich gegen die Kommode sacken. »Ich glaub nicht, dass wir uns so was um die Ohren hauen sollten, Rene. Oder?«
Er betrachtete seine Füße auf den Holzdielen.
»Nein, eigentlich nicht.« Er zauberte ein Lächeln hervor und klopfte auf die Bettkante neben sich. »Komm doch her, Nic, und wir machen ganz lieb Liebe. Setz dich zu mir.«
Nicole griff sich ihre Jeans von einem Stuhl und sagte: »So, jetzt willst du also Liebe machen, hm? Warum gehst du nicht auf die Knie und kriechst zu mir rüber und küsst mir den Arsch , und das nennen wir dann Liebe machen ?«
Damit verschwand sie im Badezimmer.
Nun ungestört hockte sich Shade ans Fenster und sah auf die Bäume. Auf sämtlichen Zweigen und Ästen saßen Vögel, die gekommen waren, um sich eine Nacht lang auszuruhen, bevor sie ihren langen, instinktiven Flug zu einer Endstation fortsetzten, die irgendwo in ihren Knochen verzeichnet stand. Die Bäume und Vögel bildeten klare Konturen vor dem verblassenden Licht am Himmel, und der Anblick war elementar und wohltuend und tröstlich.
Als Nicole in ihrer Cowgirl-Kluft und mit bösem Blick aus dem Badezimmer kam, ging Shade rein und duschte. Während aus der Stereoanlage eine Fidel tönte, die sich den Kummer von den Saiten strich, rasierte er sich und zog sich an: weiße Hose, weiße Schuhe und ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln. Er kämmte sich die nassen braunen Haare zum Trocknen straff nach hinten.
Er trat an den Nachttisch und griff nach seinem Marmeladenglas, stellte aber fest, dass es bis auf die Eiswürfel leer war. Dann ging er über den durchs Hochwasser verzogenen Holzfußboden in die Küche, Glas in der Hand und Tequila im Sinn.
Die Küche war klein, wie es sich für solch eine Bretterbude gehörte, mit Herd, Spülbecken und Kühlschrank auf der einen Seite eines schmalen Gangs und einem hohen Küchenschrank, Regalen und einem kleinen Tisch auf der anderen. Der Boden war mit betagtem Linoleum ausgelegt und knirschte, als Shade das Gefrierfach ansteuerte.
Während er neue Eiswürfel ins Glas klappern ließ und nach dem Tequila griff, sagte Nicole, die mit dem Rücken zu ihm am Tisch saß: »Weißt du, schon als Teenie wollte ich später mal eine begehrenswerte Frau werden, aber dazu bräuchte ich den richtigen Lover, der mir zeigt, wie’s geht.«
»Ach ja?«, sagte er und goss Tequila aufs Eis.
»Ja«, meinte sie. »Aber stattdessen hab ich dich getroffen.«
»Aha«, kommentierte Shade. Er spürte, dass sich da wieder eine von diesen Ein-Mädel-muss-eben-tun-was-ein-Mädel-tun-muss-Reibereien anbahnte, und er schlürfte seinen Drink in kleinen Schlucken. »Deine Füße sind nicht hier festgenagelt, Schwester.«
»Das glaubst du.«
»Das glaub ich?« Er starrte auf ihren Hinterkopf und die olivfarbene Haut ihres schlanken Nackens. »Komm schon, Nic, warum rollst du nicht ein paar Joints und hörst ein bisschen Musik, oder so?«
»Kann ich nicht«, sagte sie.
»Kannst du nicht?«
»Nicht in meinem Zustand.«
Mit gebeugten Schultern an die Wand gelehnt, hielt Shade das Marmeladenglas in beiden Händen vor der Brust und fragte: »Und was für ’n Zustand ist das?«
Nicole drehte sich um, stand auf und sah ihm ins Gesicht. Sie hatte den gertenschlanken, muskulösen Körper einer Basketballerin und Augen so meergrün, dass einem unendliche Weiten in den Sinn kamen.
»Na ja«, sagte sie, »mein Zustand ist der, dass ich schwanger bin.«
Das Marmeladenglas in Shades Händen fing zu zittern an. Er sah hinein, den Kopf gesenkt, und betrachtete sprachlos die kreisenden Eiswürfel, bis er endlich sagte: »Und, was willst du nun machen?«
»Ach, Mann«, sagte sie, senkte den Kopf und schubste Shade mit beiden Händen zur Seite. Der Drink ergoss sich über sein Hemd, als sie an ihm vorbeistürzte.
Er stand einen Moment lang da, allein, tätschelte geistesabwesend sein nasses Hemd. Dann sprach er ins Vorderzimmer, wohin sie gelaufen war: »Gut, dass ich heute Abend Schwarz anhabe, sonst hätte ich mich jetzt umziehen müssen.«
3
Als John X Shade dreiundzwanzig war,
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