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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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überwucherten – genau der Dreck, den Della so gemocht hatte.
    Stew saß auf einem gepolsterten Schemel im hellerleuchteten Zimmer, Gießkanne in der Hand, den Kopf gesenkt.
    Sie hatte ihn belogen, das wusste er. Hölle und Asche, das war nicht zu leugnen. Sie hatte ihn belogen, und er hatte es hingenommen, hatte es ihren süßen Lippen abgenommen und geduldet, dass sich diese einzige hässliche Unwahrheit in seine Gedanken nistete, wo sie Wurzeln schlug und ins Kraut schoss wie boshafter Knöterich, Ranken um jeden seiner Gedanken schlang, der ihr galt, jede beiläufige Bemerkung umgab, die sie ihm gegenüber machte, bis ihm schließlich jede Wahrheit, die sie gesagt haben mochte, verborgen blieb, überwuchert von der jammervollen Kenntnis dieser einzigen Lüge. Er hatte sie gehabt. Dieser Hurensohn hatte die süßen Lippen und starken Hüften seiner Frau gekannt.
    Und sie hatte es geleugnet.
    Und er hatte der Lüge gestattet, sich um sein Herz zu schnüren, bis die wahre Liebe erstickt und einsam gestorben war.
    Zeit, die Hängepflanzen zu gießen. Heute Nacht würde sich Schlaf nicht einstellen, und dies Haus verlangte Zuwendung.
    Fast vierzig Jahre lang hatte Stew bei Bruns Van Lines Laster beladen und war schließlich Vorarbeiter geworden. Er hatte ein Händchen für Ordnung, wusste, wie man die Dinge anpacken musste, und für einen Vorarbeiter erwies sich eine solche Pingeligkeit als recht wertvoll. Damit sicher transportiert werden konnte, musste die Fracht im Laster präzise verstaut sein, musste so ausbalanciert sein, dass sich nichts verschob oder zu Bruch ging, und darin hatte er Meisterschaft bewiesen. Er saß in seinem winzigen Büro an der Laderampe, skizzierte einen Anhänger und dessen Fassungsvermögen bis auf den Zentimeter genau und erstellte danach einen Verladeplan, sodass jede Kiste und jeder Kasten und jedes Rohr präzise ihre Position zugewiesen bekamen. Die Jungs verrichteten die Arbeit, meistens bärbeißige Burschen, und er mäkelte an ihnen herum, wenn sie auch nur im Geringsten von seiner Anordnung abwichen. Machen wir’s auf meine Weise, pflegte er zu sagen, und obwohl sie auch ein wenig fluchen mochten, richteten sie sich doch danach. Und wenn die Jungs schufteten und der Anhänger sich füllte, jeder Gegenstand an seinem Platz, wenn die Fracht den Anhänger in exakt jener Weise, die er ausgeklügelt hatte, bis unters Dach füllte, dann kaute er seinen Kaugummi und strahlte und dachte bei sich: Jetzt weiß ich auch, wieso die guten alten Pharaonen die Pyramiden gebaut haben!
    Er hatte im persönlichen Leben Pharao sein wollen, wobei alle kleinen oder großen häuslichen Artigkeiten Bausteine waren, die es himmelhoch aufzutürmen galt zur Perfektion in Fleisch und Blut, zu monumentaler familiärer Harmonie. Aber wehe, wenn ein wichtiges Stück nicht am Platz war …
    Monumentale familiäre Harmonie blieb unerreicht, und zwar wegen dreier Worte und einer jungen Hündin, wobei die junge Hündin Coral hieß und die Worte »War beim Bäcker« lauteten. Das war es, was sie behauptet hatte. Sie verstand sich darauf, daheim die tollsten Sachen zu backen, aber ihm sagte sie, sie sei beim Bäcker gewesen. Sie hatte es ihm direkt ins Gesicht gesagt, hatte gelogen, ohne dass es ihr auch nur das Geringste auszumachen schien, aber in ihrer Tasche war kein Brot, kein Kuchen, nicht mal ein einziger Zuckerguss-Krapfen, und wegen der kleinen Coral, ihrem Beagle-Welpen, bekam die Ehe einen Knacks, einen Riesenknacks, denn Coral hatte sich losgerissen und war davongetrottet, und er war ihr gefolgt, hatte sie gerufen, hatte auf und ab in den Seitengassen und auf unbebauten Grundstücken nach ihr gerufen, doch die junge Hündin war verschollen, und er war an die Einmündung der Gasse direkt neben Verdin’s Lebensmittelladen gelangt, als er Della sah. Er sah Della hinter dem Laden hervorkommen, die Hände nach oben gestreckt, um die duftende Haarpracht hochzustecken, und er hatte dagestanden und hingeschaut, die Kehle trocken vom vielen Rufen und der ganzen Skala grässlicher Vorstellungen, die ihn augenblicklich überfielen, und er hatte immer noch weiter hingeschaut, als sie davonging, in Richtung Zuhause, und als Johnny Shade auch hinter dem Laden auftauchte, so ziemlich genau in ihren Fußstapfen, bester Laune eine Zigarette rauchend, und gerissenerweise doch in die entgegengesetzte Richtung davonging.
    Stew hatte gegen einen Zaun gekotzt und war danach wieder hinter Coral hergelaufen. Nach einer

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