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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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NASCAR -Boxen-Crew untergekommen und abgehauen war, um beim Rennzirkus einzusteigen, hatte Cynthia eine Weile Trübsal geblasen und war dann zu Wilkie gezogen, einem viel älteren Jazzfan-Arschloch, der ihre Zeche bezahlen und eine gute Marihuanazigarette drehen konnte. Dieser Wilkie arbeitete beim Radio als Schmeichelstimme für die frühen Morgenstunden, und wenn sie sich unterhielten, nannte er Stew nur Big Daddy.
    Als abgenommen wurde, war Cynthia dran, und daher brauchte er sich diesen Big-Daddy-Kram heute Nacht nicht anzuhören.
    »Hallo?« Ihre Stimme klang whiskeytief, und im Hintergrund konnte er Wilkies Radiostimme hören.
    »Ich bin’s, Honey.«
    »Wer? Wer ist denn da?«
    »Dein Daddy. Stew.«
    »Oh. Dad. Eyyh! Dad, es ist zwei Uhr morgens.«
    Stew sah auf die Uhr an der Wand und stellte fest, dass sie der Wahrheit dreißig Minuten voraus war.
    »Ich mach sauber«, sagte er.
    »Um zwei Uhr morgens?«
    »Genau. Warum ich anrufe: Weißt du, welche von den Pflanzen deiner Mutter welche ist? Ich hab sie gegossen, Honey, aber ich weiß ihre Namen nicht.«
    Eiswürfel klirrten in der Leitung.
    »Machst du Witze, Dad? Deswegen rufst du an?«
    »Nun, die Pflanzen gehören deiner Mutter, und mir ist aufgefallen, dass sie nicht so richtig in Schuss sind. Ich würde sie gern mit Namen kennen. Vielleicht sollte ich ihnen Musik vorspielen – das mögen sie doch, oder?«
    »Yeah, das mögen sie.« Cynthia lachte und sprach mit jemand anderem. Wer immer es sein mochte, er lachte ebenfalls, wahrscheinlich auf Kosten des blöden alten Big Daddy. »Dad, ich komm Sonntag rüber und sag dir ihre Namen. Jetzt muss ich Schluss machen – und du gehst jetzt ins Bett, hast du gehört?«
    Sie legte auf. Er nahm es ihr nicht übel. Vielleicht würde er ein wenig fegen.
    Er holte den Besen von der hinteren Veranda und trug ihn ins Vorderzimmer. Im Licht der Lampen hatten sich alle Spinnweben an den Wänden gezeigt, und daher hob er den Besen, um nach den Gespinsten zu schlagen. Wie er so den Besen schwang, kam ihm Mister Schlangenhüftschwung in den Sinn, der Maestro im Schmachtgesang von Lug und Trug, und er legte mehr Heftigkeit in seine Schläge. Sie waren mal Freunde gewesen, ein gewieftes Baseball-Duo auf den Sandplätzen von Frogtown, aber Johnny Shade war zum selbstverliebten Geck geworden, der schlangenhüftenschwingend durch die Gegend stolzierte und in seinem Kielwasser nichts als Trümmer hinterließ.
    Eines Silvesterabends, als die Kids noch zur Highschool gingen, hatte Della allein dagesessen und Gin getrunken, sich alte Musik aus der Stereoanlage angehört, vor sich hin getanzt, ja, bei gewissen Songs sogar laut mitgesungen. Als sie schließlich ins Bett kam, hatte er sich aufgesetzt und zugeschaut, wie sie sich vorm Fenster auszog.
    Sie fummelte an den Knöpfen und geriet ins Taumeln.
    Della, sagte er, bist du glücklich?
    Della hatte gegähnt und sich dann auf die Bettkante gesetzt.
    Was glaubst du wohl?, fragte sie.
    Er hatte einen Augenblick lang ihren Rücken betrachtet, dann hatte er sich wieder hingelegt und den Quilt übers Gesicht gezogen.
    Pennsylvania 6 – 5000.

8
    Die Kleine war morgens fast immer als Erste auf den Beinen, damit sie den Whiskey einschenken und servieren konnte. Sie wartete so lange, bis ihr Vater mehrere Male trocken gehustet und damit signalisierte, dass er den neuen Tag zur Kenntnis genommen hatte. Dann holte sie ihm ein Glas Maker’s Mark, um das Zittern seiner Hände zu dämpfen. Diese Zitterei war schrecklich mit anzusehen, wenn er nicht augenblicklich sein Vögelchen saurer Maische bekam, und bei den Gelegenheiten, da er versuchte, sich selbst einzuschenken, veranstaltete er peinliche Sauereien.
    An diesem Morgen hatte Etta in den Badezimmerspiegel gestarrt und sich das Gesicht mit ihrem Arsenal an Kosmetika aufgerüstet. Sie legte Lidschatten in schwermütig schwarzer Tönung auf, die zum Kruzifix passte, das an ihrem Ohr baumelte. Für ihren Mund schien eine einzige Farbe nicht zu reichen, und daher benutzte sie alle zusammen, um sich Regenbogenlippen zu tupfen. Ihre dunklen Rattenschwanzsträhnen waren ganz gut gekämmt, und das zum femininen Bürstenschnitt frisierte Haupthaar lag perfekt.
    Während John X auf der Couch im Vorderzimmer ganze Wälder sägte, hockte sie in der Küche im Schneidersitz auf ihrer Pritsche, den rosa Joan-Jett-Koffer auf dem Schoß. Sie hatte den Deckel hochgeklappt, um ihr Geheimnis abzuschirmen, und in seinem Schutz hielten ihre Hände

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