Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
noch Arthur Blanchette. Sein Vater, der exzentrische und im Viertel sehr beliebte Leigh Blanchette, lieferte mehreren Generationen von Frogtownern reichlich Stoff für angeregte Kneipengespräche und für bissige Anekdoten, die man sich nach der Messe zuflüsterte. Außerdem hatte er seinem Sohn einen Spitznamen angehängt, der ihn einerseits belastete und andererseits sein Markenzeichen wurde.
Als How fünfzehn war und noch auf den Namen Arthur hörte, bekamen die Söhne der Familie Dunne, die im Haus hinter den Blanchettes wohnte, zum Geburtstag Pfeil und Bogen geschenkt. Bald hatten sie einen eigenen Schießstand aufgebaut und schossen auf den Erdwall, der die Grenze zwischen dem Garten der Dunnes und der Blanchettes bildete. Papa Dunne war ein Mann mit hochfliegenden Fantasien, ein Ire mit enormen Kneipenrechnungen und einem Job in Jerrys Sitzbezugfabrik. Er wollte, dass seine Kinder es einmal weiterbrachten als er selbst, in jeder Hinsicht. Also beschloss er eines Abends, nachdem er ernsthaftes Bizepstraining mit mehreren Gläsern Bier absolviert hatte, ihnen zu zeigen, wie man richtig schießt. Er spannte den Bogen und zielte auf revolutionäre Art, indem er sein Torkeln mitberechnete und mitten im Schwanken losließ. Der schicksalhafte Pfeil flog einige Meter über den Dreckwall hinweg durch die Bäume im Nachbargarten und krachte durchs Wohnzimmerfenster der Blanchettes.
Die Fakten wurden nie eindeutig geklärt, denn der Vorfall wies von Anfang an gewisse Unstimmigkeiten auf. Jedenfalls kam Leigh Blanchette langsam, fast verschüchtert mit dem Pfeil in der Hand in den Garten. Er gab ihn dem besorgten Pappy Dunne zurück und sank dann zu Boden. Der Pfeil habe ihm einen bösen Schrecken eingejagt, erklärte er, denn er sei durchs Fenster direkt auf sein Herz zugeschossen. Allein seine Handballerfahrung habe ihn gerettet – er sei instinktiv ausgewichen und habe es so geschafft, dem tödlichen, mit einer rasiermesserscharfen Spitze bewehrten Geschoss zu entgehen. Papa Dunne war betrunken, fühlte sich aber in diesem Zustand recht wohl und versicherte, es sei nur ein stumpfer Kinderpfeil gewesen, der vielleicht einen Vogel herunterholen konnte, wenn er ihn richtig erwischte, der aber für alle anderen Ziele keine echte Gefahr bedeutete. »Rauchende Colts«, antwortete Pere Blanchette. War es vielleicht mehr als nur Zufall gewesen, dass er ausgerechnet in jenem Moment »Rauchende Colts« geschaut hatte, als ein Pfeil, eine Gefahr, die ihm bisher noch nie begegnet war, aus dem Hinterhalt auf ihn zugeschossen gekommen war? Das kommt doch dienstags gar nicht, sagte Papa Dunne. Niemand hörte ihm zu.
Es war noch keine Woche vergangen, da erzählte Pere Blanchette allenthalben, er sei auf mystische Weise von den bösen Geistern alter Krieger auserwählt worden und so viele tödliche Pfeile seien auf ihn herabgeregnet, dass er sich jetzt ob des Wunders seiner Unversehrtheit nur noch bekreuzigen könne. Das Inspirierende an der Sache war, so berichtete er, dass er gerade ferngesehen habe und eben in diesem Moment Tom Jeffords und Cochise sich in Der gebrochene Pfeil die Hände geschüttelt hatten, als der atavistische Angriff über ihn hereingebrochen war. Viele Flaschen Rotwein wurden geleert, während er seine Geschichte darlegte, und innerhalb eines Monats hatte Pere Blanchette begonnen, in Secondhandläden und bei der Wohlfahrt nach NavajoTeppichen und Gipsindianern zu fahnden.
Shade konnte sich noch gut erinnern (er und seine Brüder Tip und François waren nämlich genauso daran beteiligt gewesen wie alle anderen auch), dass Arthur Blanchette auf der Straße nun immer mit hochgehaltener Hand und einem gegrunzten »How!« begrüßt worden war. Arthur, der schon damals ziemlich korpulent war, wurde immer ganz rot im Gesicht und ballte die Fäuste. Jeder wusste, wenn er es schaffte, einen niederzuringen und sich mit seinem ganzen Gewicht auf jenen zu werfen, war er Sieger, aber es war ebenfalls bekannt, dass ihm jeder, der nicht ganz schlecht zu Fuß war, davonlaufen konnte, und die begabteren Schläger im Viertel konnten flotte Buddy-Rich-Rhythmen auf seinem Kopf und seinen Schultern trommeln, bis seine suchende Faust endlich zuschlug. Also konnte er den neuen Namen nicht verhindern.
Bald kannte ihn jeder nur noch unter dem Namen How, sein wirklicher Name geriet zusammen mit seiner glanzlosen Kindheit in Vergessenheit. Nach und nach akzeptierte er seinen Spitznamen, besonders als er herausfand, dass die meisten
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