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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Rankin«, sagt Shade, »haben Sie sonst noch etwas angefasst? Wir müssen das unbedingt wissen.« Verbrechen waren schon kompliziert genug, dachte Shade, ohne dass die Familienmitglieder des Opfers einen in die Irre führten. »Sie hätten die Brieftasche nicht anrühren dürfen.«
    Blanchette trat zu Shade, und sie durchsuchten die Börse.
    »Leer«, konstatierte Blanchette. »Der Freund, der ihn drangekriegt hat, war eine dreifache Bedrohung – Freund, Mörder und Dieb.«
    »Nein«, sagte Cleo. »Hier.« Sie holte ein Bündel Geldscheine aus ihrem Portemonnaie und hielt es Shade hin. »Ich habe das Geld aus der Brieftasche genommen.«
    »Warum haben Sie das getan?«
    Cleos Gesicht wurde hart und dann bitter. »Ich wollte nicht, dass die ersten Polizisten vor Ort sich darum prügeln, deshalb.«
    »Hmm«, knurrte Shade. Er wusste, es gab Diebe in Uniform, Cops, die bei einem Selbstmord ein paar Uhren und ein paar verführerisch herumstehende Flaschen Schnaps einfach mitgehen ließen. Er hatte das einmal miterlebt, aber der Beamte würde es bestimmt nicht wieder tun. »Das war das Erste, woran Sie gedacht haben, als Sie Ihren Mann blutüberströmt auf dem Fußboden haben liegen sehen?«
    Cleo zuckte zusammen. Sie nahm eine Zigarette aus der Packung auf dem Couchtisch und zündete sie mit einem schweren Silberfeuerzeug an. »Alvin war erfolgreich, und dafür war ich immer sehr dankbar. Aber wegen seiner Arbeit sind wir nie aus Pan Fry rausgekommen. Und ich habe nicht vergessen, dass ich hier aufgewachsen bin. Verstehen Sie?«
    »Ja«, antwortete Shade. »Ich denke schon.«
    »Als Kind habe ich etwa vier Blocks von hier gewohnt, mit einem Matschfleck als Garten und drei Familien im Haus. Einmal hab ich meiner Großmutter geholfen, einen Maulbeerkuchen zu backen. Und gerade als sie den Kuchen zum Backofen tragen wollte, machte ihr Herz schlapp. Sie fällt hin, der Kuchen fällt runter, und ich schrei um Hilfe. Ich war fünfzehn«, sagte sie mit einem zynischen Lachen. »Ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Aber ich hab’s nicht besser gewusst. Schließlich kamen zwei Polizisten. Ich weiß noch, dass einer von ihnen Burris hieß. Ein hässlicher Rotschopf, voller Sommersprossen, die aussahen wie ’ne Krankheit. Also, sie standen da vor meiner Großmutter und sahen ’ne Weile auf sie runter. Dann sagte der eine: ›Aunt Sally wird den Kuchen nicht mehr fertigbacken.‹ Dann haben sie sich im Zimmer umgesehen. Komischerweise war ich an dem Tag die Einzige im Haus, und die beiden Polizisten sind überall herumgelaufen, bis sie zu einer großen alten Uhr mit Holzschnitzereien kamen. Sie gehörte unserer Familie seit vielen Jahren. ›Geh runter in Lehmans Laden und ruf den Nigger-Krankenwagen‹, hat Burris gesagt. Und ich hab’s getan, als würde ihr das noch irgendwie helfen. Als ich zurückgekommen bin, waren die Polizisten verschwunden, Großmutter lag immer noch da, und dort, wo die Uhr gehangen hatte, war ein großer leerer Fleck.«
    Allgemeines Schweigen. Dann scharrte Blanchette mit den Füßen und löste sich von der Wand, gegen die er sich gelehnt hatte.
    »Was für ’ne traurige Geschichte«, sagte er. »Wo sind die Taschentücher?«
    »Sehen Sie?«, sagte Cleo, auf Blanchette deutend. »Es war vermutlich das Beste, dass ich das Geld an mich genommen habe. Er hätte es sofort eingesteckt.«
    Blanchette steckte seine Daumen in die Gürtellaschen und wippte auf den Fersen, das Gesicht zu einer Grimasse verzogen.
    »Es ist meine Aufgabe, Beweismaterial zu sammeln«, sagte er. »Ich glaube, das steht auf Seite 201 oder so in unserem Handbuch, und das befolge ich bis aufs i-Tüpfelchen. Das weiß jeder.«
    Cleo stand auf und strich sich den Rock glatt. Dann ging sie zur Tür und öffnete sie.
    Shade stopfte das Geld in die Brieftasche und folgte ihr.
    »Ich habe wirklich nichts mehr zu sagen«, erklärte Cleo.
    »Tut mir leid für Sie«, murmelte Blanchette, als er an ihr vorbeiging und auf den Rasen hinaustrat.
    Blaue und rote Lichter erhellten die Nacht, und Männer in weißen Uniformen trugen eine mit einem weißen Laken bedeckte Trage aus dem Haus und über die Straße. Stimmen erfüllten die Luft, manche klangen kurz angebunden, andere interessiert, wieder andere wütend. Eine Menschenmenge hatte sich versammelt, aber die Zuschauer schwiegen größtenteils und hörten den Beamten zu.
    »Ruhen Sie sich ein bisschen aus«, sagte Shade.
    »Tun Sie Ihre Arbeit.«
    »Das brauchen Sie uns nicht zu sagen,

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