Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
hatten die älteren Frogtown-Boys Rankin zu Klump geschlagen und am Fuß des Pan-Fry-Hügels aus einem Chevy geworfen, aber Shade hatte seither Rankins Laufbahn mit Interesse verfolgt. Er war ein Mann gewesen, von dem man wusste, dass man noch von ihm hören würde.
Blanchette tippte Shade auf die Schulter.
»Ich glaub, er wollte von den Spätnachrichten umschalten. Wahrscheinlich hat es ihn angekotzt, zum x-ten Mal zu hören, dass die Israelis und die PLO sich immer noch keinen Versöhnungskuss geben wollen, obwohl wir doch alle ungeduldig auf die Hochzeitsparty warten. Also steht er auf, um was anderes einzustellen.« Blanchette schnippte mit dem Daumennagel auf das Programmheft. »Vielleicht den Nachtfilm auf Kanal einundvierzig. Da lief nämlich The Good Humor Man.«
»Wie kommst du denn darauf? Oder ist das dein Fettsack-Instinkt?«
Blanchette hob die Hände zum Himmel und zuckte mit den Achseln.
»Ich hätte das geguckt. Den Film fand ich als Kind ganz toll. ›Niat pac levram‹ – Captain Marvel, erinnerst du dich? Ich hab ihn damals im alten Fox-Kino gesehen.«
»Hab ich total vergessen, How«, sagte Shade. »Das war 1953, stimmt’s? Ich weiß noch, ich bin an dem Tag stattdessen in die Bibliothek gegangen.«
»Genau«, sagte Blanchette. »Du hast dir 101 schlechte Witze ausgeliehen, hab ich recht? Und dann hast du das ganze Buch auswendig gelernt.«
Shade begann die Möbel zu verrücken, um nach den Patronenhülsen zu suchen. Er prägte sich alle Einzelheiten des Raums genau ein.
»Es gibt keine Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen?«, fragte er.
»Keine. Es sei denn, ein Gespenst mit kriminellen Absichten ist durchs Schlüsselloch gekrochen. Keine Kratzer am Schloss, keine Brechstangenspuren.«
Der intime Charakter solcher Verbrechen, der Freund mit einer Pistole, ein Streit und der natürliche Drang nach Vergeltung – all das gab solchen Delikten einen tragischen Aspekt, der den anderen fehlte.
»Es muss jemand gewesen sein, den er kannte und dem er vertraute.«
»Rene«, sagte Blanchette, »er war schwarz, aber er war trotzdem Politiker, vergiss das nicht. Die spielen das Spiel genau wie die irischen Gefängnisaufseher oder die deutschen Kongressabgeordneten. Es ist ihr Job, für die Wähler erreichbar zu sein. So kriegen sie ihre Stimmen. Soweit ich das sehe, hat das nur eine Konsequenz – es reduziert die Tatverdächtigen auf die Mitglieder seiner eigenen Partei.«
»Wenn der Bezirksvorsitzende diese Theorie hört«, meinte Shade, »wird er zweifellos hysterisch in seinen Brandyschwenker kichern.«
Mrs. Cleo Rankin saß zurückgelehnt auf dem Sofa, den Kopf hoch erhoben. Shades Blick begegnete sie mit unverhohlenem Misstrauen. Sie hatte die Haare an den Seiten und hinten nach außen gebürstet und oben zu einer Tolle frisiert. Ihre mokkabraune Haut kontrastierte gekonnt mit dem rotem Lipgloss und dem weißem Schmuck.
»Das ist alles, was ich dem Captain gesagt habe. Mehr weiß ich nicht.«
»Hat Janetha irgendetwas bemerkt?«, wollte Shade wissen.
»Sie war hinter mir. Ich bin nicht sicher, ob sie überhaupt gesehen hat – was ich gesehen habe. Sie ist jetzt oben.«
»Hatte Alvin in der Regel viel Bargeld dabei?«, fragte Blanchette unvermittelt. »Wenn er zum Beispiel unten im Laden war oder so, hat er dann immer ein ganzes Bündel Dollarnoten gezückt?«
Cleos Augen verdunkelten sich.
»Nachdem er seinen rosaroten Zuhältercadillac abgestellt hat, wollten Sie wohl sagen?«, fragte sie zurück.
»So hab ich’s nicht gemeint«, entgegnete Blanchette ohne die Spur des Bedauerns in der Stimme. »Aber seine Brieftasche ist weg. Sonst fehlt nichts.«
Cleo wandte den Blick von den Kriminalbeamten und schaute zur Wand.
»Ich glaube nicht, dass er wegen seiner Brieftasche ermordet worden ist«, sagte sie.
»Wir wissen doch alle, dass selbst zwei Hunderter oder so hier in der Gegend ziemlich verlockend sind«, wandte Shade ein.
»Wollen Sie damit sagen, dass das der Preis für einen Mord unter uns heruntergekommenen Subjekten von Pan Fry ist? Wollen Sie das damit sagen?«
»Oder von Frogtown«, entgegnete Shade. »Oder auch von vielen anderen Vierteln mit hübscheren Namen.«
Cleo hob den Kopf, hielt kurz inne und fasste dann einen Entschluss. Sie griff in die schwarze Lederhandtasche, die neben ihr auf der Couch lag. Als ihre Hand wieder auftauchte, hielt sie eine beige Brieftasche.
»Die war in seinem Jackett«, sagte Cleo und reichte Shade die Brieftasche.
»Mrs.
Weitere Kostenlose Bücher