Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Rankin haben würde. Sanfte Schubser von oben. Auszuteilende Tritte in den Hintern, Stress, Manipulation, Türen, die einem vor der Nase zugeknallt wurden.
Als er an dem Tisch des Aufsichtsbeamten vorbeiging, murmelte er einen undeutlichen Gruß. Er ging gerade durch die Tür des Dienstzimmers, da hörte er seinen Namen.
»Was?«, fragte er den Aufsichtsbeamten.
»Ist Blanchette bei Ihnen?«
»Er parkt den Wagen«, antwortete Shade und ging wieder zu der grünen Schwingtür.
»Hey, Shade, warten Sie mal! Sie sollen beide sofort zu Bürgermeister Crawford kommen. Der Captain sagt, ich soll Sie gleich rüberschicken – ohne Kaffee, ohne Schwätzchen. Sofort.«
»Hat er auch gesagt, Sie sollen mich Shade nennen?«
»Wie? Was ist denn mit Ihnen los?«
Irgendetwas im Tonfall des Mannes hatte wie eine Beleidigung geklungen, aber jetzt kam Shade sich kleinlich vor.
»Nichts«, sagte er. Er blickte den langen, blankpolierten Korridor hinunter und grinste. »Es ist nur so, dass gewisse Aspekte in meinem Erwachsenenleben das ›ewige Kind‹ in mir enttäuschen.«
»Hm«, brummte der Beamte. »Und ich hab schon gedacht, Sie sind ein Arschloch.«
»Genau das ist eine der größten Sorgen des ewigen Kindes«, sagte Shade, schon auf dem Weg den Flur hinunter. »Ob Sie’s glauben oder nicht.«
Der Polizist setzte sich und legte die Füße auf den Schreibtisch.
»Ich könnt’s schon glauben«, erwiderte er, »aber ich lass es lieber.«
Blanchette stützte sich auf Shades Arm und mimte einen Zusammenbruch, während er sich die Schenkel massierte.
»Da komm ich doch gerade her!«, keuchte er. »Ich hab bei dem Masten in der hintersten Ecke geparkt. Das ist mindestens ein halber Kilometer, schätz ich. Hätte sich dieser Holzkopf nicht über Funk melden können?«
Shade tauchte unter Blanchettes Gewicht weg.
»Ja, hätte er.«
»Wir brauchen ’ne Gewerkschaft, wenn du mich fragst. Der Mann denkt, er kann sämtliche technischen Errungenschaften ignorieren und unsere Gesundheit zugrunde richten. Die Gewerkschaft wird dafür sorgen, dass wir Schmerzensgeld kriegen.«
Diesmal bestand Shade darauf zu fahren. Die Straßen durchliefen ihren nächtlichen Zyklus – gerade noch hatten sie als Wege zu harmlosen Vergnügungen und menschlichen Sünden gedient, voll von traurigen Nachtschwärmern, deren Träume wie Kaugummiblasen zerplatzt waren – jetzt hatte sich die Leere der Nach-Partyzeit über sie gesenkt, und der Asphalt war nur noch von Taxis, Streifenwagen, Dieben und Nachtschwestern bevölkert. Nun fuhren die Menschen, die dem erschlafften Bizeps der Stadt Schwellkraft verliehen, zur Arbeit, rieben sich die Augen, während sie aus einer Thermosflasche kochend heißen Kaffee in die Tasse auf dem Beifahrersitz gossen, unterwegs zu McDonnell-Douglas, zur Salter-Winn-Schuhfabrik, zur Molkerei und dem Krankenhaus. Das Tageslicht war kaum mehr als eine Verheißung im Osten, und die Nacht hatte sich für ein letztes Gefecht gerüstet, ehe sie sich in ihre Niederlage fügte.
Shade schlängelte sich durch den schläfrigen Verkehr nach Hawthorne Hills, einer Hügelkette am südlichen Stadtrand, wohin sich die Mehrzahl der Reichen und viele der Politiker von Saint Bruno zurückgezogen hatten.
Ein großes weißes Haus stand auf einem Hügel wie ein Liegestuhl auf dem Achterdeck, ein Bein über ein schmales Bachbett ausgestreckt, das andere Bein um eine Gruppe von Eichen geschlungen. Shade bog in die Einfahrt.
Captain Bauer hatte neben dem Tennisplatz geparkt. Shade stellte sich neben ihn, dann gingen er und Blanchette zur Tür.
Shade wusste, dass Bürgermeister Crawford alles Mögliche gemacht hatte, ehe er in die Politik gegangen war, aber die Tatsache, dass er klug genug gewesen war, um in eine reiche Familie hineingeboren zu werden, schien für seine spätere Laufbahn die entscheidende Voraussetzung gewesen zu sein.
Auf ihr Klopfen hin öffnete der Bürgermeister die Tür. Er trug eine Trainingshose und ein Polohemd, darüber einen locker gegürteten, kirschroten kurzen Bademantel. Er war durchtrainiert und grauhaarig und wirkte wie ein alternder Lebemann in einer Seifenoper.
»Treten Sie bitte ein«, sagte er. Er trug die seiner Position angemessene Trauer zur Schau und ließ seine Betroffenheit Überstunden arbeiten. »Wie geht es Alvins Familie?«
»Sie sind versorgt«, antwortete Shade.
»Die Angehörigen stehen bestimmt unter Schock«, murmelte Crawford kopfschüttelnd.
»Nein, Sir«, meldete sich Blanchette.
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