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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Brunswick-Turniertisch in Positur stand, ein Spiel nach dem anderen gewann, angeschnittene Bälle über den ganzen Tisch hinweg versenkte, Drei-Kugel-Kombinationen und ausgeklügelte Bandenstöße zauberte und ständig die Weiße in die perfekte Position für den nächsten Stoß brachte. Dieses vergangene Selbst, dessen er sich da besann, hatte einen Riesenspaß und verblüffte das Publikum aus gesichtslosen Spielern und Damen, und die Erinnerungen waren schwer von Rauch und Moschus und gewagten Bravourstücken. Glorreiche Serien von sechzig bis neunzig Kugeln waren Routine und doch in allen Einzelheiten vorm geistigen Auge präsent.
    Mitten in einer fantastischen Serie, als sein ehemaliges Selbst das Balabushka vor der Weißen pendeln ließ, das Leder leicht gehoben, um einen Nachläufer zu spielen, trat einer der gesichtslosen Spieler aus dem Publikum heraus, John X direkt in die Blickrichtung, und bekam plötzlich ein Gesicht.
    John X schreckte von der Couch auf. Die Rippen taten ihm weh von Stews Schlägen, und jetzt drehte sich ihm noch der Magen um vor Angst.
    »Criminentlies«, sagte er. »Lunch.«
    Er griff zum Beistelltisch und machte eine Lampe an. Er konnte die Kleine in der Küche sehen. Sie lag zusammengerollt auf ihrer Pritsche, hatte ihm den Rücken zugekehrt. Er steckte sich eine Chesterfield an und ging dann durchs Zimmer zum Telefon. Er setzte sich auf einen Stuhl mit gerader Lehne und wählte die Auskunft, bekam die Nummer, die er brauchte, und drückte die entsprechenden Tasten.
    Nach viermaligem Klingeln nahm jemand ab.
    »Bei Chapman. Mr. Chapman am Apparat.«
    »Rodney? Ich bin’s – John X. Kannst du reden?«
    »Okay. Ja.« Rodneys Stimme klang angespannt, als sei ihm unbehaglich. »Ich weiß nicht, wo du bist, John, und bitte, bitte , sag’s mir auch nicht, aber du solltest dich sehr gut verstecken.«
    »Er ist hinter mir her, stimmt’s?«
    »Ja. Er war hier. Auf der Suche nach dir hat er Dolly quasi vergewaltigt .«
    »Oah, Scheiße, Rodney – tut mir leid. Das ist ja furchtbar.«
    »Wir gehen jetzt zur Eheberatung. Die ganze Sache war schlimm. Eigentlich kannst du ja nichts dafür, John, aber irgendwie geb ich dir doch die Schuld, da kann ich nicht anders.«
    »Tut mir schrecklich leid, glaub mir.« John X zog an seiner Zigarette. »Ich nehm an, er war brutal, eh? Hast du ihm was gesagt?«
    »Er hätte uns umbringen können, John. Es hätte ihm nichts ausgemacht, nicht das Geringste.«
    »Oh, das weiß ich. Lunch ist ein Killer. Hast du ihm irgendwas gesagt?«
    Es folgte eine Pause, ein vielsagendes Schweigen.
    »Ich weiß nicht, wo du bist, John, und ich will es auch nicht wissen, aber wenn du und Randi und euer Mädchen zufällig in einer Stadt namens St. Bruno sein solltet, nun, dann würd ich schnellstens von dort verschwinden.«
    »Scheiße!«, rief John X. Er knallte den Hörer auf die Gabel. Er senkte den Kopf, stöhnte und rieb sich die Schläfen.
    Als er den Blick hob, stand Etta vor ihm. Sie trug Boxershorts und ein weißes Tanktop. Mit der rechten Hand zwirbelte sie das schwarze Kruzifix, das an ihrem Ohr baumelte.
    Sie fragte: »Was nun?«
    »Ach, Kleines – Jesses –, weißt du, was Schicksal ist?«
    »Mh-hm.«
    »Du weißt es?«
    »Yeah«, sagte sie. »Wenn zum Beispiel deine Mom fett ist und schielt, dann wirst du wahrscheinlich auch schielen und fett sein.«
    »Das ist was anderes«, sagte John X. »Schicksal, also das ist eine verschissene schwarze Wolke, die ständig pisst und donnert, und zwar genau über deinem Kopf. Du kannst sie nicht vertreiben, und verdünnisieren tut sie sich auch nicht. Das ist das Schicksal, Kleine, ein neugieriges Waschweib, das dir von der Wiege bis zur Bahre in dein Leben pfuscht.«
    Das Kind stapfte zur Couch zurück und ließ sich draufplumpsen.
    »Du weißt was über diesen Kerl, Lunch. Stimmt doch, Dad?«
    Er hob den Blick, sah sie an und nickte.
    »Du bist ein kluges Kind, Etta. Muss wohl nüchtern gewesen sein, als ich dich zeugte.«
    »Ha. Unwahrscheinlich.«
    »Hüte deine Zunge, Engel, heute Abend sitzen mir die Fäuste locker.« John X stand auf und ging hin und her. »Heute Abend sollte man mich besser nicht reizen.« Er machte ein paar Schritte Richtung Tür, blieb stehen, ballte die Fäuste, schüttelte sie über dem Kopf und wandte sich dann seiner Tochter zu. »Wir müssen wieder abhauen, Kleine.«
    »Ach nein, Dad!«
    »Ja, Kleines. Ich höre schon den Ruf der Landstraße.«
    »Mir gefällt es hier!«
    »Wir sollten dem

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