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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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gefährlich, aber auch unübersehbar geschniegelt aus. Ein neugieriges Lächeln nach dem anderen trat auf sein pockennarbiges Gesicht. Jedes einzelne war schmal, aber flink und unvermeidlich.
    »Ich würd gern mit dir dorthin fahren«, sagte er. »Rom.«
    Kauend wies Gretel mit der Gabel auf die Wand und schluckte dann.
    »So wird’s dort aber nicht aussehen. Mach dir bloß keine falschen Hoffnungen.«
    »Vielleicht mit dem Schiff«, sagte er. Dreimal schnelles Lächeln. »Oder wirst du seekrank?«
    »Ich weiß nicht.« Sie berührte ihre Narbe mit vier Fingern. »Auf kurvigen und bergigen Straßen kann es sein, dass mir im Auto übel wird. Vielleicht ist das Meer da anders.«
    »Mit dem Flugzeug wär wohl das Beste«, sagte Tip.
    »Besser hab ich noch nie gegessen«, meinte Gretel und wickelte ein Spaghettibündel um die Gabel. »Ich mag diese Fleischbällchen, auch wenn mir klar ist, dass Tiere Persönlichkeiten haben. Seelen sogar.«
    Tip lächelte. »Ich könnte mir nicht vorstellen, allein von Gemüse zu leben.«
    »Manche Kühe sind heilig. Wusstest du das, Tip? Dass Kühe heilig sind?«
    »In Pios Soße sind sie sogar noch mehr als heilig«, präzisierte Tip lächelnd, lachend und mit den Fingern auf den Tisch trommelnd.
    Gretel machte ein glückliches Gesicht.
    »Du bist lustig.«
    »Du bist schön.«
    »Wie war das?«
    Tip stützte beide Ellbogen auf den Tisch und beugte sich vor.
    »Ich hab dich noch nicht geküsst, aber du bist so schön, Gretel.«
    »Ich fühl mich innerlich gut. Ich versuch, positive Vibes auszustrahlen, keine negativen.«
    »Nein«, sagte Tip. Mit seinen großen Händen fuhr er sich in die Haare und brachte sie durcheinander. Lange glatte Strähnen rutschten ihm ins Gesicht. »Ich meine, ich möchte, dass du bleibst, wenn dein Baby mal geboren ist.«
    »Das wird bald der Fall sein«, antwortete sie. »Angeblich soll es noch einen Monat dauern – aber ich bin da anderer Meinung.«
    »Ich möchte, dass du bei mir bleibst.«
    »Klar.« Gretel hob die Serviette und wischte sich den Mund ab. »Ich muss ja irgendwo pennen – bei Mrs. Carter werd ich nicht mehr willkommen sein.«
    »Gott«, stieß Tip aus. Er sah sich im Restaurant um, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. »Ich mein nicht zum Pennen – ich möchte, dass du mich heiratest, Gretel.«
    Ihr fiel die Gabel aus der Hand. »Das ist ja zu ausgeflippt.«
    »Ich kann mir nicht mehr vorstellen, ohne dich zu leben.«
    Tips Gesicht offenbarte Zweifel und Furcht und nervöse Hoffnung. Er lächelte zu viel, und er wusste es. Mit beträchtlicher Mühe gewann er wieder die Kontrolle über seine Züge und setzte eine gefasste Miene auf, um für jede eventuelle Katastrophe gewappnet zu sein.
    »Ehe ist Besitz, Tip«, sagte Gretel. »Herrschaft. Sagen wir mal, da blüht eine hübsche Blume im Wald, und was wäre Ehe dann anderes, als diese Blume zu pflücken, damit sie im Knopfloch getragen wird? Nur so zur Zierde. Eine ausgerissene Blume im Knopfloch kann nur welken, Mann, und sie wird nie wieder blühen.«
    »Ich glaub, ich kann nicht ganz folgen«, sagte Tip verdrossen.
    »Ehe ist Mord durch Besitz«, erklärte Gretel.
    Die Uhr zeigte fast zehn, und im Italian Garden war es recht ruhig. In der Nähe des Fassadenfensters, von dem eine grellrote Neonpizza auf die Fifth Street strahlte, teilte ein silberhaariger Kerl im geschmackvollen Leinenanzug ein Hackfleisch-Sandwich mit einem goldblonden Jungen in Straßenleder. Die Organisatoren einer gerade überstandenen Wohltätigkeitsveranstaltung der Knights of Columbus ließen es sich an einem großen Tisch mitten im Raum gutgehen, und Monsignor Escalera schenkte das Bier ein. Hinten in ihrer Stammnische neben dem Münzfernsprecher lungerten zwei Frogtown-Jungs bei Muscheln und Haus-Rosé herum und studierten in der Rennzeitung die Gäule des morgigen Rennens.
    »Ich verdien ganz ordentlich«, sagte Tip. Er griff sich die Gabel und rollte die Manicotti auf dem Teller hin und her. »Ich hab ein prima Auto.« Zögerlich zerkleinerte er die Pastaröhren mit der Gabel. »Mein Haus ist nichts Besonderes, aber es gehört mir und ist schuldenfrei .«
    Einer von den Knights-of-Columbus-Wohltätern warf ein paar Quarter in die Musikbox und drückte Ol’ Blue Eyes. Der erste Song war »Summer Wind«, und der wehmütige Text ging Tip an die Nieren. Mit nervösen Fingern ruinierte er sich vollends die Frisur. Dann seufzte er.
    »Es tut mir leid, dass du so denkst«, sagte er.
    »Tip, Ehe und all das – so bin

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