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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Miene, die man aufsetzen sollte sollte, wenn man in die Arme der Natur zurückkehrte.
    Nach Nummer vierzehn, einem Itaker in Daytona, der Angelo Travelina ein Dorn im Auge gewesen war, hatte Lunch das Interesse an der Mordarithmetik verloren. Wozu sie zusammenzählen, wenn er seinen Weg doch ganz sicher mit weiteren, möglicherweise sogar vielen, vielen Leichen pflastern würde? Auf jeden Fall mit einer weiteren, und zwar bald. Der des alten Paw-Paw. Er war hier, Lunch spürte das, hörte die Todesmelodie des alten Mannes in den Adern summen. Und höchstwahrscheinlich würde Randi Tripp, der ’Bama Butterfly, als Bonus zur Ausbeute dazukommen, und Ui!, wie er dafür sorgen würde, dass die Drossel noch ein paar hübsche neue Weisen zwitscherte! Und sollte die schrille Kleine danebenstehen, die aussah wie ein ausgeflippter Zwerg aus der Zukunft, nun, dann gäb’s eben auch noch was zum Nachtisch!
    Lunch stand auf und streckte sich, sah sich im Hotelzimmer um. Es war klassisch absteigenmäßig eingerichtet, mit an die Tische geschraubten Lampen und an den Boden geschraubten Tischen und an die Wand genagelten angegilbten Bildern eines Clowns in diversen Posen. Dieser Clown hatte auf allen Bildern eine rote Nase, einen zerlumpten Zylinder und dreckige Wangen und Klamotten. Auf einem trug er ein Taschentuchbündel an einem Stock über der Schulter, auf einem anderen hielt er Karten in der Hand, alles Joker, und auf wieder einem anderen pichelte er ein undefinierbares Getränk aus einer rostigen Konservendose, deren gezackter Deckel ihm als Henkel diente.
    Lunch bedachte die schäbige Bude mit einem Kopfschütteln und beschloss, dass Whiskey und Kokain angebracht waren. Der Laden hier war seinem Zuhause zu ähnlich, seinem Zuhause bei Granny und Tante Edna, und jeder Ort, der ihn an dieses Zuhause erinnerte, weckte in ihm das verzweifelte Verlangen, high zu werden.
    Er fummelte ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche, öffnete es und zwackte zwei kleine Prisen Coke ab, für jedes Nasenloch eine. Er schniefte das Zeug weg und fing sogleich an, im Zimmer auf und ab zu tigern. Er hätte niemals Gedanken an Zuhause zulassen dürfen, denn jedes Gefängnis, in dem er je gesessen hatte, war ihm wohlgesonnener gewesen als sein Zuhause, ja sogar liebevoller mit ihm umgegangen – mal abgesehen von Rayanne. Rayanne – jetzt brauchte er Whiskey, um sich diesen Namen aus dem Kopf zu spülen.
    Lunch nahm den Schlüssel und seinen Hut und verließ sein Zimmer. Das Hotel Sleep-Tite hatte im Erdgeschoss etwas vorzuweisen, das sich Lounge schimpfte, und dort würde er sich eine Flasche besorgen. Er nahm die Treppe, vier Stockwerke hinunter, überquerte den versifften Teppich in der Lobby und betrat die Lounge. Dort waren eine schmale Bar und eine Gruppe Tische mit Plastikstühlen. Das Licht war düster und blau. Der Barkeeper mit seinem lockigen Blondschopf sah aus wie ein Schuljunge und trug ein T -Shirt mit so kurzen Ärmeln, dass seine Muskeln zu bewundern waren.
    »Gib mir eine Flasche Johnnie Walker Red«, sagte Lunch.
    »Haben wir nicht«, sagte der Barkeeper. »Falsche Gegend. Außerdem darf ich keine Flaschen rausgeben.«
    »Staatsgesetz?«, fragte Lunch.
    »Profitgründe, würd ich denken.«
    »Ah.« Lunch zog einen Zwanziger heraus und legte ihn auf die Bar. »Gib mir ’ne Flasche von dem, was ihr habt.«
    »Zehn drauf.«
    »Autsch!«, sagte Lunch. »Aber okay.«
    Er blechte noch einen Extra-Zehner.
    Der Barkeeper stellte Lunch eine Flasche House of Usher Scotch vor die Nase. Er beugte sich vor und fragte: »Brauchst du auch ’ne Braut dazu, Amigo?
    »Wie viel?«
    »Fünfzig für ’ne normale Nummer.«
    »Zimmer vier-zehn«, sagte Lunch. »Die Kohle geb ich ihr direkt. Und sag ihr, sie soll ’ne Zeitschrift mitbringen.«
    »’ne Zeitschrift? Was denn für ’ne Zeitschrift?«
    »Ist völlig egal. Aber sag ihr, sie soll eine mitbringen.«
    »Zwanzig Minuten«, sagte der Barkeeper.
    Lunch ging auf sein Zimmer zurück.
    Wieder auf seinem Zimmer, bei unaufhaltsam prasselndem Regen, machte sich Lunch hemmungslos über Schnee und Scotch her, rannte unentwegt auf und ab, trank direkt aus der Flasche und puschte sich higher und higher, bis er das Gefühl hatte, zwei Meter über dem Boden zu schweben und sich selbst von oben zu betrachten.
    »Rayanne«, sagte er.
    Kerzenlicht wäre passender gewesen und historisch korrekter, aber er hatte keine Kerze, und deswegen warf er ein Sleep-Tite-Handtuch über die Lampe, um das Licht zu

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