Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
dämpfen. Hätte er ein Radio gehabt, hätte er einen von den Furchenscheißer-Gospelsendern reingeholt, wie den von zu Hause, um den näselnd dargebotenen Sangespredigten zum Thema ewige Liebe und ewige Verdammnis zu lauschen, zu deren Begleitung die Banjos schepperten und die Fiedeln wimmerten.
Mann, das würde ihn erst richtig auf Trab bringen!
Als an seine Tür geklopft wurde, machte Lunch auf. Ein schwarzes Girl stand da, vielleicht neunzehn, aber sie hätte auch für weniger durchgehen können. Sie trug kniehohe weiße Glanzstiefel und einen knallengen roten Minirock. Ihr Gesicht war hager, und ihre Augen waren große runde Kullererbsen, was an sich alles prima war. Was sie allerdings wirken ließ wie ein Wesen aus einer anderen Welt, waren ihre Haare, denn die waren kornfeldblond, zwar nicht lang, aber in Hülle und Fülle vorhanden.
»Oh, Mann«, sagte sie, »ist das ein Muttermal auf deinem Gesicht?«
»Quetschung. Autounfall.«
»Na dann, hi«, sagte sie. »Ich bin Lushus.«
»Hübsch.« Lunch torkelte ein wenig, schwenkte die Flasche. »Aber könntest du heute Abend auf Rayanne hören?«
»Rayanne? Lass mich erst mal die Kohle sehen.«
Lunch zog eine Rolle Scheine aus der Tasche.
»Davon hab ich jede Menge«, sagte er. »Wie heißt du also?«
Lushus trat ein und stieß die Tür zu.
»Süßer, ich bin’s – Rayanne.«
»Hast du den Sears-Katalog?«
»Nee, ’n Katalog hab ich nicht.«
»Ich hatte gesagt, du sollst eine Zeitschrift mitbringen.«
»Oh.« Lushus streifte ihre Umhängetasche von der Schulter und griff hinein. Sie zog eine Vogue hervor. »Ich hab das hier, Süßer.«
»Ja genau«, rief Lunch überschwänglich, »das ist der neue Sears-Katalog, Rayanne.«
»Sag mir einfach, was du möchtest«, forderte sie ihn auf »Ich vermute, du hast da eine bestimmte Geschichte und willst dich da reindenken. Ist kein Problem für mich. Sag mir nur, was du willst.«
»Geh dich duschen«, sagte er. »Lass die Haare feucht, aber riech nach Seife, wenn du rauskommst.«
»Das kostet aber.«
»Ich zahle. Hier ist ’n Hunni.«
Lushus schnappte sich den Schein.
»Erzähl mir einfach die Geschichte«, verlangte sie und fing an, sich auszuziehen, »und ich spiel mit.«
»Du wirst mitspielen«, sagte Lunch. »Keine Sorge.«
Er sah weg, als Lushus sich auszog. Als sie ins Badezimmer ging und die Dusche aufdrehte, setzte er sich aufs Bett. Er zog das Fläschchen Coke raus und nahm eine Nase. Er konnte hören, wie die Hure sich einseifte. Er beugte sich vor, öffnete den Reißverschluss seiner Stiefeletten und streifte sie von den Füßen. Danach zog er das Hemd aus und dann die Hose. Socken und Slip blieben an. Er legte sich bäuchlings aufs Bett, das Gesicht über die Kante gereckt, die Zeitschrift auf dem Boden vor Augen.
Als Lushus aus der Dusche kam, fragte sie: »Was jetzt?«
»Wir sind in einem Farmhaus«, erklärte Lunch. »Meilenweit von jeder Asphaltstraße entfernt, am Ende eines holprigen Feldwegs. Absolut am Arsch der Welt. Granny kann die Stromrechnung nicht bezahlen, also bleibt uns nur diese eine Kerze. Jetzt komm her und kuschel dich an meinen Rücken. Aber nur ich darf umblättern.«
Lushus rutschte aufs Bett.
»Herrje, du hast aber ’ne Masse Bilder auf deinem Body.«
»Nicht in dem Alter, da noch nicht.« Lunch schlug die Zeitschrift auf. »Guck mal hier, Rayanne – neue Anziehsachen!«
Lushus breitete sich über ihm aus, Haut auf Haut. Sie roch nach Seife, und ihre Knochen drückten in seinen Rücken.
»So hübsch«, sagte sie, ohne auch nur einen Blick auf die Seiten zu werfen. »Ich möchte gern was davon.«
»Geh mir durch die Haare, Rayanne. Such nach Läusen.«
»Läuse?«
»Ich hab keine Läuse mehr – damals hatte ich aber welche. Also mach schon.«
Die Hure zupfte in den Haaren des Killers.
»Da ist eine«, sagte sie und zwickte seine Kopfhaut.
»In der Schule haben sie sich heute über mich lustig gemacht.«
»Wer?«
»Die Cranston-Brüder.«
»Ah, die Jungs sind fies.«
»Und Abel Young.«
»Der auch? Und warum haben sie sich lustig gemacht über dich?«
»Du weißt schon, warum, Rayanne. Meine Schuhe und so.«
»Also, das ist wirklich gemein.«
»Sie sagten, meine Sachen stinken, und ich hab Läuse auf dem Kopf.«
Ihre Finger zwickten wieder und wieder seine Kopfhaut.
»Ich mach die Läuse tot, Süßer.«
»Schau hier – Cowboystiefel.«
»Von mir kriegst du Cowboystiefel – das kannst du mir glauben.«
»Das sagst du
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