Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Meisterschaftswimpel. Sie raschelten, als die Tür weiter aufschwang.
»Boah!«, sagte Etta. Sie näherte sich langsam den sich sanft wiegenden Schlangenhäuten. Sie hob vorsichtig die Hände und berührte sie zögernd. Da das Gefühl auf Anhieb angenehm war, ließ sie die Finger über die ganze trockene Länge der diversen Copperheads, Cottonmouths und der einen verirrten Klapperschlange gleiten. Über ein Dutzend bezwungener Schlangen war an die Tür genagelt, und ihr Geruch war neutral, aber ihre Farben und die Muster exotisch, faszinierend, und sie zog sie ans Gesicht und presste die jungen unbemalten Lippen auf die spröden, prächtigen Schuppen. »Ma – du hast die hier alle gekillt?«
»Yup.«
»Die sind so hübsch – sind sie auch giftig?«
Monique blies eine Rauchwolke aus dem Mundwinkel.
»Die giftigen sind immer die hübschesten.«
»Mann, das ist doch zu blöd.«
»Mag wohl sein, aber es ist auch gut zu wissen.«
Die hintere Fliegentür knarzte, als sie mit einem Schwung geöffnet wurde, und Nicole Webb kam in die Küche. Sie trug ein schwarzes T -Shirt, eine verwaschene Latzhose und hohe Turnschuhe. Sie wirkte irgendwie unentschlossen, noch nicht ganz wach, und ihre dunklen Haare liefen Amok.
»Kaffee«, sagte sie. Sie hatte sich an den Tisch gesetzt, bevor sie Etta bemerkte. »Wer bist du denn?«
»Nic«, erklärte Monique, »das hier ist Etta – Renes Halbschwester.«
»Kam mir gleich so vor«, sagte Nicole. »Wie geht’s, Etta?«
»Super. Du bist Renes Freundin?«
»Stimmt«, sagte Monique.
»So ungefähr«, sagte Nicole. »Wo steckt er überhaupt?«
»Schläft noch.«
»Gut.«
Monique befestigte die unverzichtbaren Beutel an ihrem Gürtel und zog dann drei lange Stöcke mit scharfen Spitzen aus dem Wandschrank. Sie teilte die Stöcke aus, behielt aber ihren bevorzugten Stecken für sich, ein abgebrochenes Billardqueue, das zu einem Schlangentöter umfunktioniert worden war. Sie setzte einen Strohhut auf ihre Haarkrone, legte eine hohle Hand ans Ohr, neigte den Kopf zur Seite und raunte: »Hört ihr das, Mädchen? Ihre gespaltenen Zungen rufen nach mir.«
Nördlich entlang den Eisenbahnschienen bestimmte das stetige Stampfen von Moniques schweren Stiefeln ihr Tempo. Kirchenglocken erklangen in der Ferne, und ihr Läuten schreckte die Trunkenbolde und Stadtstreicher aus dem Schlaf, die neben den Gleisen in Kartons, umgedrehten Ruderbooten und sonstigen improvisierten Suiten kampierten. Die Penner pissten ins Unkraut oder kotzten oder setzten fast leere Flaschen an den Hals, um die Augen aufzukriegen. Die drei Generationen Weiblichkeit marschierten wacker voran, hielten das Tempo, welches die Älteste unter ihnen vorlegte, und schlugen im Rhythmus ihrer Schritte mit den Stöcken auf die Schwellen.
Als die Schlangenstecherinnen an ein Sumpfloch gelangten, eines Sumpflochs inmitten eines von Unkraut überwucherten, aber vielversprechenden Dickichts, eines Dickichts, womöglich reich an Schlangenbrut, ließ Monique die Gleise hinter sich und schlug einen schmalen Pfad ein. Berufkraut wuchs am Pfad hoch hinaus über ihrer aller Köpfe, und obwohl dies Kraut bereits herbstlich welk erschlaffte, blockierte es doch die Sicht auf jeden weiteren Schritt als nur den nächsten. Fast kahle Pappeln ragten in die Höhe, während die niedrigen Zweige von Zedrachbäumen, Catalpa und so mancher unbekannter Sträucher den Pfad ordentlich in die Zange nahmen. Er war gangbar, wenn auch matschig, und die feuchte Erde schien ihre Schritte anzusaugen.
Nachdem sie über einen kleinen gefällten Baum gesprungen war, der quer über dem Pfad lag, blieb Monique stehen. Sie rammte die angespitzte Seite ihres Steckens in den Morast, und ihre Blicke schweiften über das üppige Dickicht, die gefallenen Blätter und Äste und den uralten Morast des Sumpfs.
»Es ist Herbst«, sagte sie, »und sie könnten schon in ihren Schlupflöchern sein. Oder vielleicht sind sie bei diesem warmen Wetter auch noch draußen – sonnen sich auf Steinen, liegen auf der Lauer – prügeln wir sie ins Freie, Mädels.«
»Es ist dein Geburtstag, Ma«, sagte Nicole. »Hoffe, wir finden ein Geschenk für dich.«
Mit den angespitzten Enden ihrer Stecken stocherten die Schlangenjägerinnen in dunkle Ecken, zwischen verschlungene Ranken, in geheimnisvolle Löcher, trieben die scharfen Spitzen in erfolgversprechende Stellen. Bei ihrer Schlangenpirsch hielten sie sich ziemlich parallel zum Fluss. Sie schwangen ihre Stöcke, schlugen
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