Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
Vom Netzwerk:
vorbeischauen«, sagte Shade.
    Tip hielt mit dem Besen in der Hand inne, dann legte er ihn weg.
    »Du hast dir ganz schön Zeit gelassen. Hab dich wochenlang nicht zu Gesicht gekriegt. Eigentlich hätt ich dich schon früher erwartet.«
    »Ich brauch was zu trinken.«
    »In Ordnung.«
    Tip ging hinter die Bar, und Shade folgte ihm. Er lehnte sich an den Kühlschrank und beobachtete, wie Tip eine Flasche Rum holte.
    »Ich musste einen Mann umbringen, weil du mich angelogen hast, Tip.«
    »Versuch nicht, mir die Schuld zu geben, kleiner Bruder. Das ist dein Job. Du hast ihn dir ausgesucht.«
    »Cobb war hier in der Küche, und du hast mir nichts gesagt.«
    Tip schubste den Rum über den Tresen.
    »Ich hatte ja keine Ahnung, was da los war, Mann.«
    »Man könnte dich deswegen einsperren.«
    »Quatsch. Das würde nie reichen, und das weißt du auch. Wie ist dein Drink?«
    »Ich bin stinksauer auf dich.«
    »Da kann man nichts machen. Jetzt trink aus und mach …«
    Shades Rechte schlug seinem Bruder das schwere Whiskeyglas an den Unterkiefer. Als Tip zu Boden ging, ließ Shade sein Glas fallen und schlug seinen wehrlosen Bruder mit einem rechten Haken bewusstlos.
    Dann stand er auf, holte eine Handvoll Eiswürfel aus dem Kühlschrank und kniete sich neben Tip. Er bettete den Kopf seines Bruders auf seinen Schoß und kühlte ihm mit dem Eis den blutigen Mund.
    »Du blöder Dreckskerl«, sagte er und blinzelte heftig, »ich mag dich trotzdem.«

DER BOSS
    Aus dem Amerikanischen
von Christine Strüh und Adelheid Zöfel

»Nun, der Mensch sollte eigentlich die edelste aller Kreaturen sein, zumindest hat es der da oben so geplant, als er den ganzen Zirkus angeleiert hat. Aber dann geschieht Folgendes: Ein Mensch tut sich mit einem anderen zusammen, und dann mit noch einem und noch einem, und irgendwann wollen sie alle Generäle sein. Und sofort bilden sie eine Front gegen alle, die sie für Schnorrer und Penner halten, und schon bricht ein Krieg aus. Das ist einfach so, von hier bis Sansibar. Das ist das menschliche Streben.«
    Minnesota Fats

1
    Da er im Hushed Hill Country Club um jeden Preis einen Fauxpas vermeiden wollte, steckte Emil Jadick als Erstes eine doppelläufige, geladene Schrotflinte durch die Tür. Er und seine beiden anderen Wingmen waren in ihren Tarnhemden und Skimasken etwas unpassend gekleidet, aber sie schwenkten ihre Schusswaffen so überzeugend, dass sich die Gäste am Pokertisch jeden abfälligen Kommentar tunlichst verkniffen.
    Jadick übernahm das Kommando, indem er den kühlen Doppellauf einem vornehm frisierten, silberhaarigen Gentleman an den Hals drückte und rief: »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Dies ist ein Überfall, ihr Arschlöcher – irgendwelche Einwände?«
    Der Tisch war ein protziges Achteck aus Walnussholz, voll mit Gläsern und grünen Geldscheinbündeln auf blauem Filz. Die Herren, die sich hier versammelt hatten, um sich den Abend mit einem hochkarätigen Pokerspiel zu vertreiben, waren gut gekleidet, wohlhabend und wohlgenährt, doch jetzt stand ihnen der Mund offen, und die Swimmingpool-Bräune wich aus ihren Gesichtern.
    »Hände auf den Tisch, Freunde«, befahl Jadick. »Und dass mir keiner den Einarmigen spielt.« Jadick war klein, aber ein Kraftpaket. Er bewegte sich flink und präzise und sprach ruhig. Jetzt spannte er den Hahn seiner archaischen, aber ehrfurchteinflößenden Waffe und sagte: »Dann greift euch mal die Kohle, Männer.«
    »Jawoll«, sagte Dean Pugh. Er und Cecil Byrne, sein Wingmen-Kollege, gingen langsam um den Tisch herum und stopften bündelweise Geldscheine in die Sporttasche mit dem aufgestickten Schriftzug der St. Bruno High Pirates.
    Zwölf Hände lagen mit den Handflächen nach unten auf dem blauen Filz. Manikürte Finger zuckten im allzu offensichtlichen Versuch, Ehe- und Kleinfingerringe so umzudrehen, dass die glitzernde Seite nach unten wies.
    Jadick beobachtete das Drehen der Finger, bis sich zwei oder drei Ringe tatsächlich in eine scheinbare Unscheinbarkeit verwandelt hatten und sich die jeweiligen Besitzer entspannten. Dann sagte er: »Holt euch auch den Schmuck.«
    »Jawoll«, erwiderte Pugh, ein leicht vertrottelter Typ mit einer seltsamen Vorliebe für militärisch zackige Ausdrucksweise.
    Pugh und Byrne trugen neumodische, gefährlich wirkende Pistolen, die sie bei ihrer Runde um den Tisch dem einen oder anderen Spieler ans Ohr pressten. Während sie das Geld einsackten und die hübschen Ringe von den Wurstfingern pflückten,

Weitere Kostenlose Bücher