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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Manchmal lief ein Beben durch seinen Körper, und sein unverständliches Gemurmel wurde lauter. Lange hegte Shade die Hoffnung, dass Ledoux durchkommen würde, aber er spürte, wie diese Chance mit jedem Blutschwall, der zwischen seinen steifen Fingern hervorspritzte, dahinschwand.
    Einmal hob Ledoux den Kopf, und mit großer Anstrengung stammelte er: »Wird man mir vergeben?«
    »Weiß ich nicht.«
    Ledoux sank zurück.
    »Scheiß drauf.«
    »Vielleicht.«
    Wenig später nahm Shade seine Finger aus der ohnehin nutzlosen Position und lehnte sich an einen Baumstamm. Er war müde, erschöpft bis in die Knochen und traurig. Er sah hinauf in die Baumwipfel, zwischen denen ein Stück Himmel zu sehen war. Da der Sumpf bei Nacht undurchdringlich war, konnten sie hier erst weg, wenn der Morgen graute und Hilfe kam. Also blieb er sitzen, betrachtete abwechselnd den Himmel und den Menschen, den er getötet hatte, und wartete.
    Als der Nachthimmel zu verblassen begann, kamen die Karpfen, einem angeborenen Instinkt folgend, ans Ufer der Schlammbank und begannen ihr Fischgebell auszustoßen, mit dem sie den neuen Tag begrüßten. Das seltsame prähistorische Grunzen weckte Shade endgültig aus seinem unruhigen Schlummer.
    Jewel Cobb schlief noch, doch die Welt um ihn herum erwachte. Im Osten ging rosarot die Sonne auf, und in ihrem Licht schienen die Sumpfgeräusche lauter zu werden.
    Als die Dämmerung kam, erhob sich Shade und sah sich mit blutunterlaufenen Augen um. Schon bald hörte er es. Das Dröhnen der Suchboote.
    Mit schlaffem Arm hob er die Pistole und feuerte drei SOS -Schüsse in das unentwirrbare Labyrinth des Marais du Croche.

Die folgenden Tage
    Die Hitze hielt sich so lange, bis sie niemand mehr als Wetter betrachtete, sondern als eine Art kosmischen Rachefeldzug. Der Fluss, diese riesige Müllkippe, gärte und dampfte und stank, und eine gewisse Nelda Lomeli kehrte zum selben Angelplatz zurück, an dem sie eine Woche früher bereits einen Katzenwels an Land gezogen hatte. Nelda warf also wieder die Leine aus, doch als sie ihren Fang einholen wollte, merkte sie, dass sich die Schnur irgendwo verheddert hatte. Womöglich schon wieder so ein Monsterfisch, dachte sie und zog die dicke Schnur Hand über Hand weiter ein. So hob sich der rätselhafte Fang schließlich vom Grund, und Nelda machte ein paar Schritte ins Wasser, damit er ihr nicht entwischte. Sie kreischte nicht, als der Kopf und die Schultern auftauchten, denn sie war eine alteingesessene Flussbewohnerin, aber sie hatte keine Lust, ihre Beute anzufassen. Schließlich zerrte und zog sie die aufgeschwemmte Leiche auf die Spitze der Sandbank, und so fand man Duncan Cobb, an dem anstelle der Kehle ein riesiger zweiter Mund klaffte.
    Alvin Rankin war inzwischen schon so lange tot, dass die Kränze auf seinem Grab verwelkten, und im weißen Rathaus wurde Eddie Barclay, sein braunhäutiger Nachfolger, vereidigt. Bürgermeister Crawford verkündete, dies bedeute eine Fortsetzung von Rankins Bemühungen, und Barclay übergab als erste Amtshandlung den Vertrag für das Music Center der Dineen Construction Company aus Hawthorne Hills und hatte fortan keine Schulden mehr.
    Dort, wo die Fenster vergittert sind und man keine Schnürsenkel duldet, weil sie die Insassen womöglich in Versuchung führen, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen, wartete Jewel Cobb auf seinen Prozess. Er wusste nichts: Alle, die er hätte beschuldigen können, waren tot, und seine Ignoranz war so überzeugend und umfassend, dass er nicht viel zu seiner Entlastung anzubieten hatte. Also plädierte man auf schuldig, ohne die Kronzeugenregelung in Anspruch zu nehmen. Die verblüffenden Ereignisse des Sommers hatten ein weiteres seltsames Nachspiel. Als Steve Roque seinen Müll zu den Tonnen am Straßenrand trug, musste er einen Moment stehen bleiben, um die Knoten der Müllbeutel festzuziehen, die sich gelockert hatten. In diesem Moment traf ihn ein Schuss unter der Achsel, einer in der Seite und einer direkt über dem Knie. Die Schützen waren unsichtbar und blieben es auch. Roque überlebte, aber er sagte nie etwas dazu, und man legte die ganze Angelegenheit als tragischen Unfall ad acta.
    An einem Sonntag kam Rene Shade, der nach einer strapaziösen Woche einen friedlichen Ausflug unternehmen wollte, an der Catfish Bar vorbei und sah seinen Bruder in der Tür stehen. Er fuhr auf den Parkplatz und ging hinein. Tip fegte den Fußboden und war ganz allein.
    »Ich wollt schon länger mal

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