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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Wendung der Ereignisse, stehen blieb. Duncan, Duncan, schoss es ihm durch den Kopf, Duncan kommt mir zu Hilfe, Blut ist sogar noch dicker als das Sumpfwasser hier.
    Eine weitere Gestalt tauchte auf, und eine Stimme, die Jewel nicht kannte, rief: »Tu’s nicht, Ledoux.«
    »Hä?« Ledoux zog sich in dieselbe Richtung zurück wie Jewel und gab dann plötzlich einen Schuss auf den Mann ab. Die Schrotkugeln wurden durch den Vorhang aus Blättern und Zweigen abgelenkt, und der Mann fiel nicht um, er stieß nicht mal einen Schrei aus. Vielmehr feuerte er zurück, Ledoux fiel rückwärts in den Schlamm, und die Flinte wurde ihm aus der Hand geschleudert.
    Bloß eine einzige Kugel, dachte Jewel.
    Er rannte zu dem Gestürzten, den Stein in der Faust. Er wusste, dass jetzt sein Augenblick gekommen war. Unverkennbar.
    Eine letzte Chance.
    Shade kam hinter den Büschen hervor. Die Hand mit der Pistole zitterte, und er zielte auf den Mann, den er getroffen hatte. Mit einem langen Stöhnen bäumte sich dieser auf.
    Der Schuss war eindeutig in Notwehr abgegeben worden, aber das Ächzen des Verwundeten verlieh Shade nicht gerade das Gefühl, der Gerechtigkeit Genüge getan zu haben. Er hatte noch nie auf jemanden geschossen. Vorsichtig ging er weiter und suchte die Flinte, die bei der Geschichte immer noch eine gewisse Rolle spielte.
    In diesem Augenblick stürzte eine wild schreiende, blonde Gestalt aus der Finsternis, bückte sich und schwang die Hand hoch über dem Kopf.
    »Stehen bleiben!«, schrie Shade.
    Aber der blonde Mann beugte sich über Ledoux und begann den Liegenden mit Schlägen zu traktieren. Irgendetwas knackte laut, und die barbarischen Kampflaute der beiden Männer vermischten sich zu einem widerlichen Duett.
    »Sofort aufhören!«
    Shade stürzte sich auf die beiden Männer und zerrte Cobb von Ledoux. Er sah den Stein in Jewels Hand und hielt ihm die Pistole vors Gesicht.
    »Das reicht, Cobb.«
    Jewel keuchte und ließ sich mit ausgestreckten Beinen auf die Erde sinken.
    »Ich bring ihn um. Er will mich umbringen.« Er schnappte nach Luft und stieß die Worte ruckartig hervor. »Er will mich umbringen.« Mit funkelnden Augen sah er zu Shade auf. »Ich bin ein Killer.«
    »Nein, es ist vorbei. Es ist vorbei.«
    Jewel rutschte ein Stück weg und legte sich auf den Boden, wo er weiter nach Atem rang.
    Auf Knien untersuchte Shade Ledoux. Die Kugel war mehrere Zentimeter unterhalb des Herzens in den Brustkorb eingedrungen. Die Wunde blutete stark, doch Cobbs Schläge schienen, abgesehen von ein paar Blutergüssen, nicht viel Schaden angerichtet zu haben.
    »Ist ziemlich übel, ich weiß«, sagte Ledoux. »Ich weiß. Mann, scheiß auf das Leben hier am Fluss.«
    Shade presste die ausgestreckten Finger fest in die Wunde, um die Blutung zu stoppen.
    »Oh! Oh!«
    »Wenn du versuchst abzuhauen, Cobb, dann erschieß ich dich.«
    »Keine Angst, hab ich nicht vor«, erwiderte Jewel mit schwacher, monotoner Stimme.
    »Wir kommen hier im Dunkeln nicht raus, Ledoux«, sagte Shade und drückte weiter die Finger gegen den feuchten Rand der Wunde, die er dem Mann beigebracht hatte. »Du musst durchhalten.«
    Einen Moment lang schwiegen alle drei. Ledoux starrte Shade mit schmerzverzerrtem Gesicht an.
    »Ich kenn dich«, sagte er schließlich.
    »Ich bin Rene Shade. Vergiss das nicht.«
    »Ach, klar. Die Shades aus der Lafitte Street. Und du hast mir also ’ne Kugel verpasst.«
    »Du hast mir keine andere Wahl gelassen.«
    »Oh, ich kenn dich, mon petit homme. Du hast auch keine weiße Weste. Ihr alle nicht.«
    Shade nickte.
    »Du warst ein Schläger«, sagte Ledoux mit brüchiger Stimme, und Blut quoll aus seinem Mund. » Ihr habt gestohlen, ihr alle.«
    »Ja.«
    »Ach, verdammt – und du hast mich erwischt. Ausgerechnet du.«
    Inzwischen hatte der Sumpf die Störung vergessen, und seine Geräusche setzten wieder ein. Das Quaken der Frösche und das Trippeln der Waschbären und anderer Kreaturen waren wieder überall zu hören.
    »Du schießt auf Leute«, fuhr Ledoux nach einer Pause fort. »Was kriegst du dafür, dass du auf mich geschossen hast?«
    »Ich wollte dich nicht umbringen«, erklärte Shade. »Also lass den Quatsch, Ledoux – du hättest mich doch sofort erschossen.«
    »Na und? Ach, ach. Ich bin eben ehrgeizig, na und?«
    »Spar dir deine Kräfte.«
    Die Erleichterung darüber, dass man ihn erwischt hatte, entspannte Jewel Cobb. Er lag auf dem Bauch, den Kopf auf den Armen, und murmelte schläfrig in den Schlamm.

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