Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
da, als hätte er das Recht, mich so anzusehen, so richtig fies, und er sagt: ›Bis du was von dem ganzen Fett runtergeschwitzt hast, wirst du dich wie Plätzchenteig verbiegen und dich selbst lecken müssen. Das alte Rein-Raus-Spiel mach ich erst wieder mit dir, wenn ich dich in ’nem Kleid sehe, auf dem Größe Achtunddreißig steht.‹« Hedda inhalierte den Rauch ihrer Zigarette und ließ die Eiswürfel in ihrem Drink klappern. Den Gumbo, von dem auch sie einen Teller vor sich stehen hatte, ignorierte sie. »Würdest du dir so was von einem Mann gefallen lassen, Wanda?«
»Du bist nicht fett, Hedda«, versicherte Wanda. »Und nebenbei bemerkt ist Shuggie auch nicht grade ein Adonis.«
»Er ist ziemlich rundlich, stimmt’s?«
»Er könnte mal ein paar Runden joggen gehen oder so.« Wanda hörte Heddas traurige Geschichten nicht zum ersten Mal, aber bis zu dem Zerwürfnis zwischen Ronnie und Mr. B. war das meist nur dann passiert, wenn sich die Männer vom Tisch erhoben und in eine dunkle Ecke zurückgezogen hatten, um – wie sie sich ausdrückten – geschäftliche Dinge zu besprechen. Aber jetzt, wo Ronnie ein Ausgestoßener war, weil er nicht aufgepasst hatte, wessen Geld er klaute, trafen sich die beiden Frauen nur hier, heimlich, weit weg von allen anderen. »Willst du noch ’ne Bloody Mary?«
»Oh«, seufzte Hedda, »ich sollte eigentlich nicht, aber ich trink trotzdem noch eine.« Hedda Zeck war eine geborene Langlois, in Frogtown eine sehr günstige Herkunft, weil jeder wusste, dass die Langlois mit den Beaurains verwandt waren. Sie war etwa zehn Jahre älter als Wanda, hatte volle rote Lippen und dunkle, kurzgeschnittene Haare. Ihre Laster waren hochprozentige Getränke und süßes Gebäck, und beides davon trug zu ihrem Körperumfang bei. Als Folge davon wurde sie seltener gevögelt, was sie möglicherweise bald dazu zwingen würde, einem dritten Laster zu verfallen, das in Motelzimmern ausgeübt wurde und durchreisende Männer einbezog. »Ach, Wanda, wär die Welt nicht viel schöner, wenn Gott einfach grinsen und jedem das geben würde, was er möchte?«
Wanda schlürfte ihr Bier und sagte achselzuckend: »Ich glaub, das wäre furchtbar langweilig.«
»Honey«, sagte Hedda lachend, »ich glaube, du würdest auch im Land, wo Milch und Honig fließen, noch was zu meckern finden.«
»Stimmt«, sagte Wanda. »Eine Welt, in der ich nichts zu kritisieren hätte, kannst du dir nicht mal in deinen kühnsten Träumen ausmalen.«
Die beiden signalisierten der Kellnerin, dass sie noch etwas zu trinken brauchten, und wurden prompt bedient. Den Gumbo ließen sie abkühlen, bis er eine Haut bekam.
Wanda mochte Hedda wirklich, und in besseren Zeiten war ihr die ältere Freundin sogar ganz nützlich gewesen, wenn es um die richtige Wahl von Kleidern, Möbeln, Urlaubsorten und anderen Dingen ging, die jetzt überhaupt nicht mehr zur Debatte standen, weil gewisse Leute sauer geworden und Ronnie dem Arm des Gesetzes überantwortet hatten. Wanda hatte alles verkaufen müssen, um die Anwälte und den Vermieter zu bezahlen – das ganze schöne Leben hatte man ihr wieder weggenommen. Jetzt saß sie da in ihren abgeschnittenen Jeans und ihren Sandalen, in einem billigen Baumwoll- T -Shirt mit Technicolor-Blumen darauf, und hörte einer Frau zu, die einen ganzen Stapel Geldscheine in der Tasche hatte und über ihr angeblich so schreckliches Leben jammerte.
»Hedda«, sagte Wanda, »ich wünschte, Auguste und Shuggie und die anderen würden aufhören, Ronnie in der ganzen Stadt anzuschwärzen. Ich krieg das alles hintenrum zu hören, und das macht mich nicht grade glücklich.« Wanda nahm einen großen Schluck Bier und winkte das nächste herbei, denn sie wusste, wer die Rechnung übernehmen würde. »Ich meine, die haben unseren Namen doch schon bis zum Gehtnichtmehr in den Dreck gezogen. Ich geb ja zu, dass Ronnie sich danebenbenommen hat. Das geb ich zu.«
»Honey«, erwiderte Hedda durch einen dichten Rauchschwaden, »er hat Auguste betrogen.«
»Ach, Hedda, das war doch bloß ein kleiner Insider-Witz, der durch einen dummen Zufall die Runde gemacht hat. Ronnie hat nur mal ausprobiert, wie weit er gehen kann, so ’ne Art Sicherheits-Check.«
»Er hat Wetten für Rennen angenommen, die schon gelaufen waren, Honey. Das ist für Auguste ein klarer Fall von Betrug.«
»Ach, hör auf, Hedda«, sagte Wanda und starrte düster in ihr Bier. »Ich wette, es gibt südlich von Minneapolis keinen einzigen
Weitere Kostenlose Bücher