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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weißgestrichenen, ausgefegten Gruft, in der Gerippe herumwandelten.
    »Zu Dr. Högli!« sagte Lagarto. Sein Hals krampfte sich zusammen.
    »Den Gang entlang, letztes Zimmer links«, sagte die kleine braunhäutige Schwester.
    »Und … und Señora Högli …?« Er sagte es zum erstenmal – mühsam. Meine Evita – Señora Högli!
    »Die Señora ist beim Chef.«
    »Danke.«
    Lagarto drückte die gläserne Schwingtür auf und ging den Gang entlang. Links und rechts Zimmer: vier Betten, zwei Betten, der langgestreckte Krankensaal, zwei Einzelzimmer, eine geschlossene Tür mit einem Schild und toter, warnender Schrift: Infektion! Dahinter liegt Tenabo, dachte Lagarto. Dann wieder offene Türen: das Labor, der winzige Röntgenraum, der Operationssaal, ein Verbandszimmer, ein Quergang im rechten Winkel zur Ambulanz, dem großen Zimmer mit den vier Tischen und den Flechthockern an den Wänden. Das Zimmer, in dem vor den Augen der Indios die kleinen Wunder der Heilung möglich gemacht wurden.
    Privat.
    Ein kleines Schild. Weiß mit schwarzer Schrift. Aus Europa mitgebracht und an die Tür geklebt.
    Lagarto hob die Hand und klopfte dann zaghaft. Durch die dünne Tür hörte er, wie ein Stuhl gerückt wurde.
    »Adelante!«
    Evitas schöne, warme Stimme. Lagarto begann zu zittern. Er öffnete die Tür.
    Dann standen sie sich gegenüber, wortlos, vom Augenblick überwältigt. Evita war allein. Dr. Högli verband in einem der Zimmer einen Patienten; Lagarto hatte ihn beim schnellen Vorbeigehen nicht bemerkt.
    »Mein Kind«, sagte Lagarto leise. »Mein schönes Kind …« Dann war es mit seiner Kraft vorbei. Er begann zu weinen und senkte den Kopf.
    »Papa!«
    Es war ein Aufschrei. Sie flog auf ihn zu, warf sich gegen ihn, umklammerte ihn und drückte ihr Gesicht an seine Brust.
    »Papa …«
    So traf Högli sie an. Sie standen noch immer, hielten sich umarmt und waren stumm vor Glück.
    Im Flur unterhielt sich Pater Felix mit einigen Kranken; er hatte Högli nichts von dem Besuch gesagt.
    »Das ist er«, sagte Evita und löste sich von ihrem Vater. »Das ist Riccardo.«
    Die Männer musterten sich. Es war ein stummes, aber bis zur Grenze des Erträglichen gespanntes Abtasten.
    Das also ist Miguel Lagarto, dachte Dr. Högli. Evitas Vater – und auch der Mann, der seine Millionen mit Meskalin verdient, mit einem Rauschgift, dessen süßen Halluzinationen der bittere, schreckliche Zusammenbruch folgt. Wieviel geistig zerstörte Menschen säumen seinen Weg? Wieviel Elend hat ihn zum reichsten Mann von El Paso gemacht? Evitas Vater … Soll ich ihm die Hand geben – oder soll ich ihn vielleicht von Juan-Christo aus dem Haus prügeln lassen?
    Das ist Dr. Högli, dachte Lagarto. Evitas Mann. Mein Schwiegersohn, der mich vernichtet hat. Er hat mir meine einzige Tochter weggenommen. Ich habe Geld genug, ich brauche dieses Meskalin nicht mehr, bis an das Ende meiner Tage kann ich in der Sonne sitzen. Aber er hat mir Evita weggenommen, meine schöne, herrliche Evita. Muß ich ihn umarmen oder erwürgen?
    »Gott sagt, Verstehen und Verzeihen ist zweierlei.« Pater Felix trat ein. »Wir machen den Menschen nicht besser, indem wir ihn erschlagen.«
    Lagarto atmete tief auf. »Hat er immer solche Sprüche zur Hand?« fragte er heiser.
    »Das ist seine Spezialität.« Dr. Högli hob die Schultern. »Und man muß sich daran gewöhnen, daß er recht hat.«
    Sie zögerten beide. Dann gingen sie gleichzeitig aufeinander zu und gaben sich die Hand.
    Am Abend wurde Juan-Christo heimlich aus dem Hospital geholt. Der Alcalde des Dorfes ließ ihn dringend rufen. Er wartete im Haus des Indios Pedro Chiraxetl und war sehr nervös.
    »Er will wieder ein Mädchen«, sagte er und knirschte mit den Zähnen. »Er schickt zwei Männer und läßt sagen: Heute ein besonders schönes Mädchen gegen ein ganzes Faß voll Wasser! Aber sie muß vorher untersucht werden.« Der Alcalde hob die Arme. »Was soll ich tun, Juan? Wir haben beraten. Die Schönste, die ein Faß voll Wasser wert ist, ist Rosalie.«
    Juan-Christo blickte sich um. In dem dumpfen, heißen Raum saßen die Chiraxetls an den Wänden: Vater, Mutter, drei Kinder, die Großeltern, ein uraltes Weib, verschrumpelt, ein Bündel Falten nur noch. Die Urmutter. Mitten unter ihnen Rosalie, fünfzehn Jahre alt, mit großen, schwarzen Augen und Haaren bis zu den Hüften. Sie trug ein geblümtes Baumwollkleid, aber auch unter dem sackähnlichen Gewand verriet sich ihr ausgereifter Körper. Sie war wirklich eine

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