Im Tal der bittersüßen Träume
Peyotl-Feldern. Aber schon am ersten Tag wurde ich gezwungen, den Kampf aufzunehmen: Zuerst erschien Pater Felix, der mir alles erzählte, dann fuhr ich zu den Feldern und wurde prompt aus dem Hinterhalt beschossen. Am nächsten Tag kam Antonio Tenabo zu Besuch, Paddys hirnlose Faust, trat meine Patienten in den Hintern, grinste mich dreist an, spuckte mir auf den OP-Tisch und sagte: ›Nun komm doch, Doktor, hol dir deine Tracht Prügel!‹ Wieder einen Tag später erschien Paddy selbst, musterte mich und stellte fest: ›Wir werden miteinander Ärger haben!‹ – Und den hatten wir, bis heute!«
»Sehen Sie denn nicht, daß Sie der Verlierer sind?« schrie Lagarto und sprang auf. »Paddy hat die Macht! Er hat das Wasser! Und er hat alle maßgebenden Leute gekauft. Bis nach Chihuahua reichen seine Verbindungen. Sie klopfen an Gummiwände, Dr. Högli! Alle hier verdienen an den Peyotl-Kakteen!«
»Am meisten Sie!«
»Das werde ich nie verstehen, Vater«, sagte Evita leise.
Lagarto zuckte zusammen, als sei jedes Wort ein Schlag gewesen. »Ich werde mich aus allen Geschäften zurückziehen! Das ist ein Versprechen, Dr. Högli.«
»Zu spät.«
»Es ist nie zu spät im Leben!«
»In Santa Magdalena gelten andere Maßstäbe. Hier leben wir nicht mehr, wir sind bereits in einem Stadium zwischen Leben und Tod … und bereits mehr auf der Seite des Todes. Hier ist jetzt alles zu spät.«
»Ich soll hier herumsitzen und ruhig mitansehen, wie meine einzige Tochter zugrunde geht?« Lagarto rannte in dem kleinen Zimmer hin und her, trat ans Fenster, blickte hinaus in die Nacht. Die Feuer der Wachen loderten in einem weiten Kreis um das Hospital, die Indios hockten wie große Totenvögel herum, in ihre Ponchos gehüllt, ganz ihrem Schicksal ergeben. »Was haben Sie aus Evita gemacht?«
»Eine glückliche Frau, Vater«, warf sie sofort ein. »Reden wir nicht mehr davon. Es bleibt uns nur noch wenig Zeit, mit allem ins klare zu kommen.«
Lagarto holte tief Atem. »Womit ins klare?«
»Mit uns, Vater.« Sie lehnte sich zurück. Högli spürte das Zittern in ihren Händen. »Ich wollte dich nie mehr sehen! Ich gehöre nicht mehr in die Welt, aus der ich zufällig in dieses Tal gekommen bin! Wann war das? Vor ein paar Wochen, vor Jahren, vor Ewigkeiten? Ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, daß ich Riccardo liebe, daß ich einmal – vor langen Jahren – einen Vater hatte.«
»Evita!« rief Lagarto entsetzt.
»… und daß ich gelebt habe in der Ahnungslosigkeit einer mit Gold behangenen Puppe, ein nutzloses Leben zwischen schimmernden Glaswänden, die keinen Blick nach draußen ließen. Was kannte ich von den Menschen? Die leeren, hohlen Köpfe an den Pools von Las Vegas und Acapulco, Copacabana und Florida! Einstudierte Komplimente, die nicht mir, sondern dem Dollarberg meines Vaters galten! Dummes Gewäsch über Gold und Yachtausflüge in die Karibik, klebrige Details aus dem Liebesleben der Partyfreunde, Potenzprobleme einer verhurten Gesellschaft, Freundinnen, die nur mit dem Unterleib denken … Aber hinter diesen undurchsichtigen gläsernen Wänden lebt die wirkliche Welt. Da leben die Millionen, die hungern, die rechtlos sind und ausgebeutet werden, die betrogen und belogen werden, die mit krummen Rücken ihr Geld verdienen, das wir – die Reichen – ihnen wieder abschwatzen, um noch reicher zu werden! Und mitten drin stehst du, der Gefährlichste, der Gemeinste, der Rücksichtsloseste von allen: Miguel Lagarto, der bittersüße Träume verkauft, an denen die Menschen elend zugrunde gehen, geistig und physisch zerbrechen, um als Wrack zu verenden, schrecklicher als ein ausgesetztes, räudiges Tier. Und ich habe von diesen Millionen gelebt … jedes Kleid, jedes Paar Schuhe, jedes Schmuckstück, jede Reise, jedes Auto, jeder Tag, jeder Atemzug ist bezahlt worden von den Süchtigen, in die du das Gift hineingepumpt hast, die Preise diktierend, das sauer verdiente Geld der anderen einschaufelnd – und es hat dich nicht gekümmert, was aus ihnen geworden ist, welche Qualen sie erlitten, wie abhängig sie von dir wurden! Dich hat kein Elend gerührt, und während in Indien oder Äthiopien Millionen verhungerten, hast du Partys gegeben mit einem fünfzig Meter langen kalten Buffet und einem Springbrunnen, der Rotwein sprudelte. Du hast deinen Hunden Steaks braten lassen … und neben dir, ein paar Meter weiter, haben die Armen eine Handvoll getrockneter Bohnen aufgeweicht und gegessen!«
»Das alles haben Sie
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